Rezension zu Älterwerden - Eine Entdeckungsreise

Schweizerische Ärztezeitung 2011, Heft 22, 1. Juni 2011

Rezension von Barbara Hiss

Die Autorin nimmt den Leser, die Leserin mit auf eine Reise in die analytische Arbeit mit ihren Klienten. Sie schildert leicht fassbar mit vielen Fallbeispielen, wie sie die Auseinandersetzung der Klienten mit ihrer eigenen Vergangenheit, ihrer Lebensgeschichte moderiert und begleitet, und führt dabei die Leser in die spezifischen Themen des höheren Lebensalters ein. Dabei zeigt sich, dass dieses Tun vor allem der Verinnerlichung und Integration von belastenden Ereignissen dient zum Zwecke der Versöhnung und der Ermöglichung, das Leben bis zuletzt zu Ende leben zu können. Es geht der Autorin um die Hinwendung zu einer stabilen inneren Welt, die oft auch Defizite im exekutiven Bereich zu kompensieren vermag und damit gelegentlich der Sublimation dient.

Dabei zeigt sich, dass sich die analytische Arbeit mit alten Menschen, obwohl sich der zeitgeschichtliche Kontext, Einstellungen und Werte stark gewandelt haben, nicht grundsätzlich von der analytischen Arbeit mit jüngeren Menschen unterscheidet, dass die Wiederkehr emotionaler Kindheitserfahrungen im Zentrum liegt und die Bearbeitung reaktivierter Konflikte bedingt. Die therapeutische Zielsetzung geht dahin (im Unterschied zu jüngeren Personen), das Gefühl von Unsicherheit in der Begrenzung der zur Verfügung stehenden zeitlichen Reserven des eigenen endlichen Lebens zu akzeptieren und diese begrenzte Spanne Leben mit bestmöglicher Lebensqualität füllen zu können.

Als Therapeutin achtet die Autorin besonders darauf, die äußeren Bedingungen so zu gestalten, dass die Hinwendung zur inneren Welt gelingen kann. Sie kommt aber selber nicht darum herum, sich mit eigenem Altern auseinanderzusetzen, sich mit der eigenen (zeitlichen) Begrenztheit zu versöhnen und durch hingebungsvolle Selbstpflege für die eigene Lebensqualität besorgt zu sein.
Das Buch ist auch für fachfremde Personen leicht lesbar. Gelegentliche Übersetzungsfehler tun ihm wenig Abbruch. Vermissen kann man, dass die zahlreichen Fallgeschichten nicht konsequent mit Altersangaben der betroffenen Menschen versehen sind. Alles in allem aber macht das Buch Lust, sich selber an die analytische­therapeutische Arbeit mit alten Menschen zu wagen. Man wird dabei entdecken, dass diese Auseinandersetzung uns unweigerlich zum Thema unseres eigenen Älterwerdens führt.


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