Rezension zu Stanley Kubrick (PDF-E-Book)
Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse. Freiburger literaturpsychologische Gespräche, Bd. 30 Kindheiten
Rezension von Asokan Nirmalarajah
Andreas Jacke: Stanley Kubrick. Eine Deutung der Konzepte
seiner Filme, Gießen: Psychosozial Verlag 2009 (=Imago). 359
S., € 29,90.
Andreas Jacke: Roman Polanski. Traumatische
Seelenlandschaften, Gießen: Psychosozial Verlag 2010 (=
Imago). 297 S., € 29,90.
Die Frage, die sich bei den zwei vorliegenden Monographien
unweigerlich aufzwingt, ist die folgende: Wo genau verläuft
eigentlich die Grenze zwischen der Filmwissenschaft und der
Filmkritik? Ist doch zu beobachten, dass die über immer neue
mediale Plattformen publizierten Rezensionen zu Filmen – von den
ausführlicheren Besprechungen im Feuilleton bis hin zu den
spontaneren Kommentaren von Bloggern und Twitter-Nutzern – mitunter
wissenschaftlich wertvolle Beobachtungen enthalten können, während
die Forschung in ihrer Beschäftigung mit populärkulturellen
Medientexten sich gelegentlich auch zu Werturteilen hinreißen
lässt. Der bedeutende Unterschied, so will es zumindest ein
jüngerer Zweig der deutschen Filmwissenschaft verstanden wissen,
liegt in einer reflektierten Distanz zum Untersuchungsgegenstand,
in einer für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn notwendigen
Objektivität. Anders als etwa die angloamerikanischen film studies,
die – wohl nicht zuletzt auch aufgrund des diffusen Begriffs des
»critic«, der sowohl für Filmjournalisten als auch für Filmforscher
verwendet wird – für ihre wertende Argumentation bekannt sind, ist
man hierzulande darum bemüht, eine allzu subjektiv gefärbte
Besprechung eines Films zu vermeiden. Ist es doch wissenschaftlich
nicht sehr aufschlussreich, von den speziellen Vorlieben und
Abneigungen eines Filmexperten zu lesen. Dessen ungeachtet gibt es
aber immer wieder Versuche, Filme von einer sehr persönlichen
Position aus zu erforschen und vor allem zu beurteilen.
Dabei wird manchmal auf einen filmpsychoanalytischen Ansatz
zurückgegriffen, der im Unterschied zu einer zwar psychoanalytisch
informierten, aber streng formal verfahrenden Filmanalyse den
indirekten Dialog des Forschers mit dem Regisseur über dessen
Oeuvre in den Mittelpunkt stellt. Die Biografie des Filmemachers,
die Entstehungsgeschichten seiner Werke, ihre zeitgenössische
Rezeption und ihr filmhistorischer Status werden rekapituliert, um
nicht so sehr produktive Aussagen über das Bedeutungsangebot der
Filme zu machen, sondern die vermeintliche Intention des Regisseurs
nachzuvollziehen und die persönliche Meinung des Interpreten über
das künstlerische Gelingen oder Misslingen der einzelnen Filme in
Relation zum Gesamtwerk zu belegen. Ausgehend von der These, dass
es sich bei den Filmen um implizite Auseinandersetzungen des
Künstlers mit lebensgeschichtlichen Konflikten handelt, versucht
sich der Forscher hierbei auch als ein zeitlich und örtlich
entfernter, den Erfolg der kreativen ›Selbsttherapie‹
begutachtender ›Film-Psychoanalytiker‹.
Andreas Jacke, der mit seinem Buch »Marilyn Monroe und die
Psychoanalyse« (Gießen 2005) bereits eine bedeutende Figur
westlicher Populärkultur einer retrospektiven Psychofernanalyse
unterzog, versucht in zwei neueren Studien zum filmischen Schaffen
der international gefeierten, oft kontrovers diskutierten
Regisseure Stanley Kubrick und Roman Polanski aufschlussreiche
Parallelen zwischen den Künstlern und ihren Werken zu ziehen, indem
er die Produktionsbedingungen der Filme stärker in seine
Filmanalysen einbezieht. Die Arbeiten des Filmwissenschaftlers und
freischaffenden Filmkritikers bewegen sich dabei in zwei
entgegengesetzte, aber sich ergänzende Richtungen: Zum einen sucht
er, ausgehend vom vorhandenen (psycho-)biografischen Wissen über
den jeweiligen Filmemacher, dessen Filme auf (in)direkte Kommentare
zu persönlichen Lebenssituationen ab. Zum anderen versucht er, vom
Werk ausgehend, hypothetische Rückschlüsse auf unbewusste
psychologische Konflikte des Regisseurs zu ziehen.
Das Buch über Stanley Kubrick trägt den nicht besonders
aussagekräftigen, weil sehr weit gefassten Untertitel: »Eine
Deutung der Konzepte seiner Filme«. Ähnlich thematisch grob und
methodisch nicht ausreichend fokussiert gestaltet sich auch die
Studie, die einen chronologischen, ausführlichen Durchgang durch
das vielbesprochene Oeuvre des amerikanischen Kultregisseurs
bietet, indem sie jedem seiner Filme ein Kapitel widmet. Jackes
Vermengung von psychoanalytisch perspektivierter Künstlerbiografie,
übergreifender intertextueller Werkschau mit argumentativen Vor-
und Rückgriffen sowie Making-of-Reportage führt die Leser so von
Kubricks ersten künstlerischen Gehversuchen als Jungfotograf für
das amerikanische Look-Magazin, dem ersten Spielfilm FEAR AND
DESIRE (1953), Noir-Experimenten wie THE KILLING (1956),
historischen Schlachtengemälden wie SPARTACUS (1960), über den
internationalen Durchbruch als renommierter Autorenfilmer mit
Kultfilmen wie DR. STRANGELOVE (1964) und 2001: A SPACE ODYSSEY
(1968) bis hin zu weniger euphorisch aufgenommenen Spätwerken wie
FULL METAL JACKET (1986). Zwischendurch erfährt man dann auch immer
wieder von akribisch geplanten, aber nicht mehr realisierten
Filmprojekten und in einem abschließenden Kapitel noch von dem
Holocaust-Film, den Kubrick nach dem Welterfolg von Steven
Spielbergs thematisch ähnlichem Film SCHINDLER/'S LIST (1993)
aufgab. Jacke ist bei seinen detaillierten Filmbesprechungen vor
allem darum bemüht, die einzelnen Werke filmhistorisch zu situieren
und Querbezüge zu anderen Filmen herzustellen. Das beeindruckende
filmhistorische Wissen, das dabei zum Ausdruck kommt, ist mal
hilfreich, wenn Jacke etwa die Parallelen und Verwerfungen zwischen
Kubricks DR. STRANGELOVE und dem ersten James-Bond-Film DR. NO
(1962) (S. 129 f.) oder zwischen Kubricks spätem Vietnamfilm FULL
METAL JACKET und Francis Ford Coppolas Vietnamfilm-Klassiker
APOCALYPSE NOW (1979) herausstellt (S. 299 f.); dann aber auch
nicht, wenn der Verfasser zum Beispiel das Kapitel zu PATHS OF
GLORY (1957) mit einem willkürlich motivierten Sprung zu einer
hymnischen Würdigung des Gangsterfilms THE GODFATHER (1972)
schließt (S. 77).
Von der eingehenden Lektüre des »großartige[n] Erbe[s] dieses
tollen Regisseurs« verspricht sich Jacke als nebenberuflicher
Filmemacher »ein Potential an Möglichkeiten, von dem viel zu lernen
(und nicht bloß zu kopieren) ist« (5. 17) – von Kubricks »erstem
wirklich gelungene[n] Film« PATHS OF GLORY (5. 75) über seinen
stilistischen »Wendepunkt« mit LOLITA (1962) (S. 95) bis hin zu
seinem letzten, »misslungene[n] Film« EYES WIDE SHUT (S. 307). Das
Vorwort – »Ein kurzer Lehrgang über männliche Autonomie« (S. 7) –
gestaltet sich entsprechend adulatorisch. Jacke zeigt sich bereits
hier als glühender Fan: Ihm ist es nicht um Objektivität zu tun.
Dass Kubricks Filme »von der größtmöglichen Qualität geprägt« sind
(S. 9), ist ein Werturteil, dem man als Leser vielleicht zustimmen
mag, aber welcher Forschungsmehrwert ist damit verbunden? Und wenn
Jacke dem Regisseur dann noch einen »solch mutige[n],
künstlerische[n] Eigensinn« zuspricht, »dass man, ohne allzu viel
Kühnheit an den Tag zu legen, von einem männlichen Trotz
sprechen kann« (S. 7), ist man sich nicht einmal sicher, was hier
mehr irritiert: die so offen formulierte Bewunderung für einen
anderen Künstler/Mann in einem sich wissenschaftlich gerierenden
Text oder die emphatische, unfreiwillig komische Verwendung des
Kursivs, das im Anschluss oft für Wörter im Text benutzt wird, die
es eigentlich nicht benötigen. Dieser gewöhnungsbedürftige Stil ist
deshalb so ärgerlich, weil Jackes Beobachtungen nicht ohne Wert
sind. So stellt er etwa fest, dass »der männliche Eigensinn«, den
er Kubrick als Künstler zuschreibt, »auch immer wieder ein
wichtiges Thema« in dessen parodistisch zugespitzten Filmen ist, in
denen man »das Drama der Selbst- oder Fremdbestimmung« des modernen
Individuums verorten kann (S. 8 f.). Eines der Motive, das sich
dabei durch fast alle Filme Kubricks zieht, ist das des
Doppelgängers (S. 26 f.). Eine psychoanalytische Ausleuchtung
dieser Figur innerhalb Kubricks Werk bleibt die Arbeit allerdings
schuldig, da sie zu sehr damit beschäftigt ist, den Inhalt der
Filme im Detail wiederzugeben und die naheliegendsten
Deutungsansätze aneinanderzureihen. Eine genauer gefasste
Fragestellung – welche »Konzepte« von Kubricks Filmen denn nun
verhandelt werden, warum sie interessant sind und mit welcher
Methode man sich ihnen produktiv nähern könnte – wäre hier
wünschenswert gewesen.
Laden die psychologisch sehr nuancierten Filme Kubricks geradezu zu
einer psychoanalytischen Lektüre ein, ist es bei Roman Polanski vor
allem die ereignisreiche Biografie, die, Jacke zufolge, Polanskis
Schaffen um ungeahnte, dezidiert autobiographische Bedeutungsebenen
bereichert. Mehr noch als bei Kubrick bezieht sich Jacke bei
Polanski auf die Dreharbeiten und die explizit vom Regisseur
benannten und möglichen weiteren Inspirationsquellen der Filme und
widmet sich in Einzelstudien den prominentesten Motiven des
Regisseurs, um sich einem »psychologischen Verständnis von
Polanskis Werk« anzunähern (S. 9). Während Jacke bei Kubrick nicht
auf eine Autobiografie des verstorbenen Regisseurs zurückgreifen
konnte, tut er dies umso intensiver im Falle des
polnisch-französischen Regisseurs, in dessen Filmen er – laut dem
Untertitel seines Buches – gar »[t]raumatische Seelenlandschaften«
zu finden meint. Als primäre Argumentationsstütze dient ihm dabei
die bereits 1984 erschienene Autobiografie des Filmemachers, in der
Polanski unter anderem von seiner Kindheit im nazibesetzten Polen
erzählt. Es sei »unmöglich«, so Jacke, Polanskis »Werk zu
analysieren, ohne dabei auf seine Biografie einzugehen« (ebd.),
zeige sich doch die »traumatische Prägung durch den Holocaust in
seiner Kindheit [...] in den unterschiedlichsten Formen in vielen
seiner Filme« (S. 14) und sei »die Wiederholung persönlicher
Erinnerungen« doch »ein fester Bestandteil seiner Tätigkeit als
Regisseur« (S. 13). So folgert Jacke mit Rückgriff auf eine
Selbstaussage des Regisseurs: »Polanskis Filme zeigen oft
Seelenlandschaften, die Folgeerscheinungen traumatischer
Erfahrungen sind, die darin verarbeitet und reflektiert werden«
(ebd.).
Wieder einmal führt Jacke seine Leser chronologisch durch die
Filmografie des Regisseurs und benutzt dessen persönliche
Erfahrungen als Ausgangspunkte für psychoanalytische
Interpretationen der Filme. Dabei rekurriert er durchgehend auf die
Aussagen des Filmemachers, die er aus Interviews und
Making-of-Reportagen gesammelt hat, und gibt über weite Strecken
eine kondensierte Fassung der Autobiografie mit Anmerkungen zu
Polanskis kreativer Verarbeitung seiner psychologischen Probleme
wieder. Er unterteilt das bisherige Werk in drei Phasen: »Die
absurde Welt des Surrealen« (S. 29–140) von Anfang der 60er bis
Ende der 70er Jahre, in der Polanski düstere Psychodramen
(REPULSION, 1965), schwarze Komödien (DANCE OF THE VAMPIRES, 1967)
oder auch eine Kombination aus beiden (LE LOCATAIRE, 1976)
inszenierte, »Die Wahl zwischen dem erotischen Abenteuer und der
Ehe« (S. 141–202) von den späten 70ern bis Anfang der 90er Jahre,
in der sich der Regisseur zeitweise vom Filmernachen zurückzog bzw.
laut Jacke ganz untypische Filme wie den »schwachen Abenteuerfilm«
PIRATES (1986) (S. 171) drehte, und schließlich: »Die Rückkehr des
Politischen« (S. 203–286) von 1994 bis zu seinem bislang letzten
Film THE GHOST WRITER (2010), den Jacke bespricht, obwohl er ihn
zum Zeitpunkt der Besprechung noch nicht gesehen hatte, aber bei
dessen Dreharbeiten als Kleindarsteller anwesend war.
In Jackes Monographie kommt der letzten Phase eine besondere
Bedeutung zu, erschienen doch, so der Verfasser, »[v]iele
Standpunkte des Regisseurs [...] gerade durch die letzte Periode
seines Schaffens in einem völlig neuen Licht« (S. 9). Besonders
prominent wird hier THE PIANIST (2002) besprochen (S. 223–239), für
den Polanski 2003 den Regie-Oscar erhielt und nicht – wie Jacke
irrtümlich schreibt den Oscar für den besten ausländischen Film (5.
12). Die international gefeierte Verfilmung der gleichnamigen
Autobiografie des polnischen Juden Wladysbw Szpilman sei nicht nur
»sein bedeutsamstes Werk« (S. 13), weil Polanski mit diesem Film
nach seinen »zu Recht weniger beachteten Filmen der 80er und 90er
Jahre [...] sein Image [...] rehabilitier[en]« konnte (S. 223),
sondern weil in dem Film das explizit zum Ausdruck komme, was seine
künstlerische Arbeit immer schon geprägt habe: die
Auseinandersetzung mit seiner »traumatischen Vergangenheit« (S.
224). Dieser »persönliche Bezug« des Regisseurs zum Thema des
Films, der ihn »von vornherein von vielen anderen über den
Holocaust« unterscheide (S. 223), verleitet Jacke allerdings dazu,
lediglich die individuellen Holocaust Erfahrungen Polanskis und
Szpilmans einander gegenüberzustellen (S. 227). Wie in den Kapiteln
zu THE NINTH GATE (1999) (S. 223–239) und OLIVER TWIST (2005) (S.
241–272) handelt es sich auch hier um wenig mehr als eine
vergleichende Betrachtung der literarischen Vorlage mit ihrer
Filmadaption.
Deutlicher noch als beim Kubrick-Buch wird Jackes Argumentation von
der ekstatischen Kritikerliebe zu seinem Regisseur bestimmt:
»Polanski ist, wie auch seine Filme, selbst sehr verspielt und hat
eine sehr zärtliche Art, zu arbeiten, was bei dem Stress, einen
Film herzustellen, allein schon eine Kunst ist« (S. 21). Die
Selbstaussagen des Regisseurs werden zu selten auf ihre
Aussagekraft und Validität hin befragt und viel zu kurz kommt bei
diesem Ansatz der kreative Einfluss anderer in der Produktion der
Filme, seien sie nun Produzenten, Drehbuchautoren oder
Schauspieler. So erfährt man aus Jackes oft oberflächlichen
Lektüren zum Beispiel, dass er ROSEMARY/'S BABY (1968) ebenso wenig
ausstehen kann wie die Filme eines anderen berühmten Regisseurs:
Der Film zeige zwar »Polanskis großes Potential«, verschwende es
aber »für einen effekthaschenden Unterhaltungsfilm, der auf der
Ebene von David Lynch (und nicht darüber) liegt« (S. 90). Jacke
hält den Horrorfilm, der bekanntermaßen komplett aus der Sicht
einer Frau erzählt ist und von ihrer Misshandlung durch mehrere
Instanzen patriarchaler Macht handelt, sogar für einen schlechten
Film mit antifeministischen Tendenzen. Ein »echter« Polanski-Film
sei er deshalb nicht, weil die kreative Leitung beim Produzenten
Robert Evans gelegen habe (S. 78 f.). CHINATOWN (1974) wiederum sei
gerade deshalb so interessant und persönlich, weil es Polanski mit
der perfiden Noir-Hommage gelungen sei, den Mord an seiner Ehefrau
Sharon Tate »in einer vernünftigen Form aufzuarbeiten« (S. 115).
Dabei wurde auch dieser Film von Robert Evans produziert und
basierte auf dem Original-Drehbuch von Robert Towne, deren
jeweiliger Einfluss auf das Endergebnis nur unzureichend behandelt
wird. Stattdessen verliert sich Jacke in prekäre Mutmaßungen und
unglücklichen Phrasen wie »ich nehme an«, »wohl nicht zufällig«,
»ich vermute«, »meiner Meinung nach« usw. usf.
Die Auslegung der Filme als unmittelbare Reaktionen auf persönliche
Lebenskrisen des Regisseurs erweist sich insgesamt als hoch
problematisch und erreicht ihren zweifelhaften Höhepunkt in der
Bewertung des Missbrauchsskandals um Polanski. Wenn Jacke zum
Beispiel schreibt, dass Polanski »auf den Vorwurf der
Vergewaltigung einer Minderjährigen [damit] reagierte«, dass »er
keine Filme mit surrealen Motiven mehr drehte, und anstatt dessen«
mit seiner Thomas-Hardy-Verfilmung TESS (1979) »einen seiner
emotional zärtlichsten Filme inszenierte« (5. 10), stellt sich die
Frage nach der Kausalität zwischen einem Filmprojekt, das sich in
den seltensten Fällen auf die emotionale Situation einer einzigen
Person zurückrechnen lässt und oft über mehrere Jahre entwickelt
wird, bevor es überhaupt zum Dreh kommt, und einer realen Tragödie
im Leben des Regisseurs, die sich zeitlich vor der Produktion des
Films ereignete. Schlimmer noch: Jacke schwankt unentschieden
zwischen verhaltener Kritik an und psychologischer Erklärung für
Polanskis Verhalten (S. 142 f.) und einer sympathisierenden
Forderung nach sofortiger Freilassung des inhaftierten Regisseurs,
weil er »sich wie kaum ein anderer in seinen Filmen tief in die
traumatisierte Psyche misshandelter Menschen eingefühlt, sodass man
ihn, wenn man nur sein Werk betrachtet, sofort freisprechen müsste«
(S. 228 f.).
Dem Rezensenten hat sich die Frage gestellt: Welche Leserschaft von
Jacke eigentlich angesprochen werden soll. Cineasten, die mit den
Biografien der Regisseure und ihrem filmischen Schaffen vertraut
sind, werden in den Büchern kaum neue Informationen finden,
referieren sie doch oft bereits bekannte Anekdoten rund um die
Entstehung der Filme. Filmwissenschaftler andererseits werden den
oberflächlichen Analysen der Filme wenig abgewinnen, stellen sie
doch oft Gemeinplatze der Forschung heraus ohne sie unter einem
neuen Ansatz zu problematisieren. Selbst als
Überblicksdarstellungen für den Einstieg in eine Beschäftigung mit
den Regisseuren und ihren Filmen ist von den Büchern abzuraten, da
Jackes Argumentation hauptsächlich von seinen persönlichen
Meinungen, emotionalen Eindrücken und Mutmaßungen über die
angebliche Intention der Regisseure getragen wird und weniger von
einer sachlichen Analyse der formalästhetischen,
narrativ-motivischen oder kulturhistorischen Aspekte der Filme.
Zumindest aber scheint das Schreiben der Bücher dem Kubrick- und
Polanski-Fan Jacke großes Vergnügen bereitet zu haben.