Rezension zu David Bowie - Station to Station
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Rezension von Urs Jakob Schmicke
Auch wenn er in den Medien nicht mehr so präsent ist wie vor
zwanzig Jahren, David Bowie ist mir – und sicher vielen meiner
Generation – so sehr präsent wie dies nur wenige Sänger des 20.
Jahrhunderts geschafft haben. Sein musikalischer Stil steht als
Synonym für die Wandelbarkeit, die ihm den Spitznamen »Chamäleon
des Pop« einbrachte.
In »David Bowie – Station to Station« unternimmt Andreas Jacke den
Versuch dem Geheimnis von David Bowie auf die Spur zu kommen. Mit
der Methode der Theorie Melanie Kleins als Begründerin der so
genannten »Englischen Schule« der Psychoanalyse, den Ausführungen
Otto Kernbergs zum Borderline-Syndrom sowie mit Hilfe des
französischen Psychoanalytikers Jaques Lacan rekonstruiert der
Autor das Leben und die Leiden von David Robert Haywood-Jones, wie
Bowie mit bürgerlichem Namen hieß. Dadurch bietet Jacke dem Leser
einen recht detaillierten und äußerst plausiblen
Interpretationsansatz zur Ikone Bowie.
Als Objekt der Analyse dienen ihm dabei in erster Linie die ob
ihrer Vielschichtigkeit und intellektuellen Tiefsinnigkeit gelobten
Songtexte des Künstlers, die häufig eine tiefe Traurigkeit
ausdrücken. Dass der Autor eine Borderline-Persönlichkeit Bowies
diagnostiziert, wird in dem vorliegenden Buch in stringenter, ja
fast schon als zwingend zu bezeichnender Art und Weise dargestellt.
Die extreme Wandelbarkeit Bowies ist dabei nur eines von vielen
Indizien. Die in der Psychoanalyse äußerster Wichtigkeit geltende
Kindheit wird dem vorliegenden Werk nicht besonders berücksichtigt.
Es ist jedoch nicht der Anspruch von Andreas Jacke, die
Entstehungsbedingungen der Leiden von David Bowie zu analysieren
und detailliert zu benennen. Vielmehr geht es dem Autor in seinem
Buch darum, aufgrund öffentlich zugänglicher Fakten eine treffende
psychologische Beurteilung zu erstellen, was ihm meiner Meinung
nach sehr gut gelungen ist.
Das komplexe Thema der Psychoanalyse wird vom Autor in einer auch
für Laien verständlichen Art und Weise aufgearbeitet. Wer jedoch
leichte Lektüre erwartet, könnte enttäuscht werden, es handelt sich
hier um ein Werk mit wissenschaftlichem Anspruch, bei dem gewisse
Vorkenntnisse in der Psychoanalyse von Vorteil sind. Dass Andreas
Jacke selbst begeisterter Bowie-Bewunderer ist, scheint
offensichtlich; dennoch begegnet er dem Sujet mit Respekt und der
nötigen wissenschaftlichen Distanz und erzeugt somit eine
überzeugende Objektivität. Ein Buch, das den Reiz und die
Faszination Bowies ansatzweise zu erklären weiß und somit ein
solides Fundament zur weiteren Lektüre der unzähligen Biographien
schafft. Sehr empfehlenswert!