Rezension zu Schuldbewusstsein und reale Schuld (PDF-E-Book)
gilde rundbrief der Gilde Soziale Arbeit – GISA – 65. Jahrgang 2011, Heft 1
Rezension von Vogt Jost-Wilhelm
»Mit den Begriffen Schuld, Schuldgefühl, Schuldbewußtsein, Gewissen
und Verantwortungsgefühl sind fundamentale Kräfte menschlicher
Motivation angesprochen, die für unser Verständnis der
individuellen wie auch der kollektiven Steuerung und Regelung des
menschlichen Zusammenlebens von zentraler Bedeutung sind.« (S. 11)
So beginnt Ludwig Haesler, einer der insgesamt 14 Autoren dieses
Buches, seinen Beitrag.
Damit umschreibt er die ganze Spannbreite dieses für die
menschliche Existenz so bedeutsamen Themas. Ob es der geklaute
Groschen des Fünfjährigen ist oder der Totschlag an Herrn Brunner
in München oder die plötzlich wieder andeutungsweise aufgeworfene
Frage, wer denn Schuld am Beginn des Zweiten Weltkriegs habe, immer
steht die Schuldfrage im Mittelpunkt.
Einige Beiträge aus dem Bereich der Hirnforschung stellen heute
aber auch versteckt die Frage, ob der Mensch nicht ohnehin durch
elektrophysiologische Vorgänge im Gehirn determiniert sei zu diesem
oder jenem Handeln, hier also möglicherweise garnicht von Schuld
gesprochen werden könne.
Die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge aus den Bereichen
Theologie/Philosophie, Erziehungswissenschaften/Pädagogik,
Medizin/Psychotherapie und Analyse sowie Jugendarbeit/Sozialarbeit
beleuchten das Thema von der frühkindlichen Entwicklung über die
Reifungs- (oder Fehlentwicklungs-)prozesse im familiären und
gesellschaftlichen Kontext bis zu gesamtgesellschaftlichen
Perspektiven.
Dabei geht es vor allem um die Fragen, wer Schuld definiert (oder
zuschreibt) und welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollen
und müssen. Nicht zuletzt wird aus den Erfahrungen der
Psychoanalyse der Bereich der Schuldgefühle (begründet oder
unbegründet) ausführlich erörtert.
Konkret werden die Überlegungen anhand vorgestellter praktischer
Arbeit mit schuldig gewordenen Menschen.
Somit ist hier ein wunderbares Buch für Praktiker und am Thema
Interessierte entstanden, das auch gut verständlich zu lesen
ist.