Rezension zu Die Scham, das Selbst und der Andere

Leseempfehlung für die Mitglieder der Berliner Akademie für Psychotherapie (BAP)

Rezension von Eva Jaeggi

Der Autor – übrigens ein Absolvent der BAP – hat in einem umfangreichen Buch einen Überblick nicht nur über den Schameffekt und seine Bedeutung in der Entwicklung und in der Psychotherapie gegeben; er hat vor allem – und dies ist ein recht bedeutsames Novum – die intersubjektivistische Variante der Psychoanalyse als Rahmen gewählt, um diesen Affekt besser zu verstehen und ins Behandlungsprogramm einbetten zu können. Das Buch bietet daher nicht nur einen Überblick über die bisherige Literatur zur Scham, sondern darüber hinaus bekommt man sozusagen ein »Lehrstück« vorgeführt darüber, was die in den letzten Jahren immer wieder genannte »interaktionistische Wende« in der Psychoanalyse ganz konkret zum Verständnis der Therapie und wichtiger menschlicher Entwicklungslinien leisten kann. Tilman Moser hat (mündliche Aussage) sogar geraten, dieses Buch als ein »Lehrbuch« zu betrachten.
Was der Blickwechsel von der »Ein-Personen-Psychologie« zur »Zwei-Personen-Psychologie« schließlich auch im realen Leben (und nicht nur in der Therapie) bedeutet: das arbeitet Tiedemann in klarer und lebendiger Weise heraus. Dass der therapeutische Prozess nicht mit einer »Heilung« endet, dass er vor allem nicht damit endet, dass man nun »psychoanalytisch spricht« – das wird gerade in einer Therapie, die das nie endende Fließen der Kommunikation in den Mittelpunkt stellt, besonders deutlich und in schöner und präziser Sprache dargestellt.

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