Rezension zu Wozu werden Träume erzählt? (PDF-E-Book)
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Rezension von Michaela Heinz
Hanspeter Mathys ist psychoanalytischer Psychotherapeut,
Fachpsychologe für Psychotherapie und Oberassistent am
Psychologischen Institut der Universität Zürich mit den
Schwerpunkten Psychoanalytische Traumforschung und qualitative
Psychotherapieforschung und in eigener psychoanalytischer Praxis in
Zürich niedergelassen. Sein Werk »Wozu werden Träume erzählt«
befasst sich mit dem viel diskutierten Themenbereich der
Traummitteilung in der psychoanalytischen Therapie. Hierbei legt er
allerdings sein Augenmerk nicht auf die inhaltliche Interpretation
des Traumes, sondern dessen kommunikative und interaktive Funktion
innerhalb der Patient-Therapeut-Beziehung und eröffnet damit dem
interessierten Leser neue Sichtweisen auf dieses Themengebiet. Er
beginnt einleitend mit den theoretischen Konstrukten zum Träumen im
Allgemeinen und bezieht sich hierbei im besonderen Maße auf die
Traumtheorien von Freud, welcher der Ansicht war, dass das Erinnern
eines Traumes als Systemfehler gedeutet werden kann. Der Traum
werde nur dann erinnert, wenn der dahinterstehende Konflikt nicht
gelöst wäre und somit dient die Erinnerung und Mitteilung des
Trauminhaltes gegenüber dem Therapeuten dem Problemlösen im
Wachzustand.
Offenbar scheint es dem Menschen unerlässlich, den Trauminhalt zu
erzählen, auch wenn dieser durch seine formale und inhaltliche
Unstrukturiertheit ungeeignet zum Erzählen scheint. Genau deswegen
interessiere Hanspeter Mathys die Funktion des Träumens – Wozu
werden Träume erzählt, wenn sie sich doch offensichtlich so
schlecht dafür eignen, erzählt zu werden? Ist es ein Wunsch nach
Deutung des Trauminhaltes durch Rekontextualisierung? Oder geht es
doch mehr um kommunikative und interaktive Aspekte? Das Erzählen
des Traumes als zweites Abfuhrmittel der Triebbefriedigung? Das
einleuchtende Zitat in diesem Buch scheint wohl das Folgende zu
sein, welches den Leser in seinen Bann zieht, mehr über die
Funktion der Traummiteilung erfahren zu wollen: »Das Irritierende
ist das Kontra-Intuitive: auf etwas angesprochen werden, für das
man sich nicht verantwortlich fühlt, wobei man sich aber der
Tatsache nicht erwehren kann, dass man damit selbst einiges zu tun
hat.«
Auf 188 Seiten wird das Für und Wieder, das Positive als auch das
Negative (zum Beispiel in Form von Widerstand) analysiert.
Analysegrundlage lieferten hierbei die Einzelfalluntersuchungen der
Patientin Amalie X, 35 Jahre alt, alleinstehende Lehrerin, welche
531 Therapiestunden absolvierte, von denen 517 auf Tonband
aufgenommen wurden. In diesen Sitzungen werden insgesamt 95 Träume
erzählt. Diese methodische Grundlage basiert auf einem
explorativ-heuristischen Ansatz, welcher zu Recht keinen Anspruch
auf Generalisierbarkeit erhebt/erheben kann. Die Tonbandaufnahmen
dienen hierbei der nachträglichen detaillierten Erforschung der
Gespräche zwischen Patientin und Therapeut, entgegen den Ansichten
Freuds, durch welchen dieses Aufnahmegerät als einen »Zuhörer« und
damit als Störfaktoren für den Patienten interpretiert werden
könnte. Durch diese Gesprächsanalyse soll jedoch weg von der
»Ein-Personen-Psychologie« hin zur »Zwei-Personen-Psychologie« eine
Gesprächsanalyse stattfinden, welche sich mit der Art und Weise
beschäftigt, wie Menschen Gespräche führen und somit latente
kommunikative und interaktive Funktionen sichtbar machen.
Nach der theoretischen Fundierung der verwendeten Methodik folgt
eine ausführliche Analyse der Therapiegespräche durch den Autor.
Hierbei liegen dem Leser Textausschnitte des transkribierten
Therapiesettings vor, so dass die Interpretationen des Autors gut
nachvollzogen werden können. In diesem Teil des Buches wechselt
auch endlich der Schreibstil von einer Aneinanderreihung von
theoretischen Konstrukten ohne nähere Erläuterung hin zu einer
verständlichen Analyse – vom Allgemeinen hin zum explizitem
Beispiel der Amalie X zurück zur Verallgemeinerung, welche
methodisch fragwürdig erscheint und vom Autor auch so diskutiert
wird. Über den gesamten Text hinweg ist der klare Charakter einer
wissenschaftlichen Arbeit erkennbar und somit erscheint dieses Werk
weniger wie ein Buch als letztendlich wie eine Doktorarbeit. Dieser
Schreibstil ist sehr gut nachvollziehbar für den involvierten, gut
informierten Leser, macht es allerdings dem Laien eher schwer, bis
zum Schluss am Ball zu bleiben.
Grundsätzlich gewährt dieses Buch dem Leser Einblick in zwei
verschiedene, sehr interessante Teilbereiche: zum einen in die
Traummitteilung an sich und zum anderen in die Denkweisen und
Therapieabläufe einer psychoanalytisch orientierten Therapiekunst.
Am Ende der Arbeit kommt der Autor zu einem Fazit und gibt
explizite Anwendungshinweise für die Praxis, welche einen
Wissenstransfer der Erkenntnisse seiner Studie erleichtert. Für den
versierten, psychotherapeutisch informierten Leser ist dieses Buch
daher sehr zu empfehlen, für einen Laien, ohne Vorkenntnisse eher
schwierig zu verstehen. Ein potentieller Leser sollte sich auch
nicht vom Autorenbild auf der Rückseite des Einbandes verschrecken
lassen- auch wenn das sehr schlecht getroffene, fast schon
Fandungsfoto-ähnliche Bild hier Erinnerungen an Andrej Tschikatilo
aus der Reportage »Das Böse nebenan« weckt. Vielleicht wird das ja
bis zur nächsten Auflage geändert.
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