Rezension zu Die Psychoanalyse im Pluralismus der Wissenschaften
Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 1/2011, www.sanp.ch
Rezension von Susanne Kunz-Mehlstaub
Munz und Springer haben sich für die Psychoanalyse mit Herausgabe
dieses Werkes einmal mehr verdient gemacht.
Das Werk ist in 3 Teile gegliedert: 1. Psychoanalyse und empirische
Wissenschaft, 2. Psychoanalyse und ihre Nachbarn, und der 3. Teil:
60 Jahre Psychoanalyse in Deutschland. Im 1. Teil finden sich 5
kritische Aufsätze zum Thema Psychoanalyse und Forschung. H.
Kächele zeigt die schwierige Beziehung zwischen Theorie und Praxis.
Trotz jahrelanger Forschung ist weiterhin unklar und spannend, was
in der Therapie eigentlich wirksam ist. P. Fonagy begibt sich auf
die Reise in die Forschungsgeschichte der Psychoanalyse und spürt
den Ergebnissen mit mehr oder weniger Pessimismus nach. J.
Küchenhoffs Betrachtungen zum Wandel psychoanalytischer
Therapiekonzepte geben einen umfassenden Überblick, sind didaktisch
gut aufgebaut und geben viele Anregungen für die Praxis. M. L.
Bohleber wirkt erfrischend, wenn sie nach Jahrzehnten intensiven
Forschens mit ihrem Fallbeispiel die gelebte Praxis von Forschung
und Therapie spannend nebeneinander stellt. Im 2. Teil beschreibt
G. Roth neben den Basics der Hirnforschung, wie und wo die
Psychotherapie auf die verschiedenen Ebenen des »Psychischen im
Gehirn« wirkt. M. B. Buchholz untersucht die komplexe Beziehung
zwischen Theorie und Praxis, die letztlich einander ergänzend als
gute »Nachbarn« zueinander stehen sollten. Traum und Trauma von C.
Türcke ist ebenfalls sehr anregend, da er Freuds grundlegenden
Wandel vom Traum als reiner Wunscherfüllung beschreibt. Freud,
konfrontiert mit den Träumen Kriegstraumatisierter, stellte die
normale Traumangst der realen Todesangst im Traum gegenüber. Der
Vortrag »Kunstgenuss« von H. Kraft ist tatsächlich ein Kunstgenuss.
Gern möchte man mit Herrn Hart weitere Gemälde auf diese Art
betrachten. Im 3. Teil finden wir spannende Vorträge zu 60 Jahren
DGPT von J. A. Schülein, der sich mit der Institutionalisierung der
Psychoanalyse und ihrem Scheitern konfrontiert und last but not
least verweist J. Körner anhand konkreter gelungener
Vermittlungsaufgaben auf den Erfolg der historisch schwierigen
Rolle der DGPT. Das Buch ist sehr lesenswert und erlaubt einen
spannenden Einblick in die verschiedenen Bereiche der
Psychoanalyse, lohnenswert wäre sicher eine Dokumentation zur
Vertiefung weiterer Nachbarwissenschaften.
Susanne Kunz-Mehlstaub, St. Gallen
SCHWEIZER ARCHIV FÜR NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE
2011;162(1):43–6
www.sanp.ch