Rezension zu Liebesaffären

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Rezension von Dr. Werner T. Fuchs

Mehr gibt es kaum zu sagen

Diesem Buch wünschte ich den obersten Platz auf den Bestsellerlisten. Und zwar so lange, bis selbst chronische Büchermuffel davon Kenntnis nehmen müssen. Oder all die, welche sich jeden Patentrezepte versprechenden Liebesratgeber anschaffen. Wieso diese Begeisterung und die waghalsige Behauptung, mehr als in diesem Buch steht, gäbe es zum Thema Liebe nicht zu sagen? Die Antwort liegt in der Form, in der Wolfgang Hantel-Quitmann das weite Feld beackert. Er lässt diejenigen zu Wort kommen, die nicht erklären, sondern erzählen. Schriftsteller aller Jahrhunderte und aller Länder zeigen die Irrungen und Wirrungen auf, die um den vermeintlich festen Kern der Liebe entstehen. Lösungen gibt es nur im Plural, in festen Zeitfenstern, in den von Liebenden ausgesteckten Räumen. Der Autor lädt uns mit seiner Auswahl dazu ein, Wahlverwandtschaften zu erkennen und eigene Wege zu erkunden. Und wie er das macht, empfand ich eben so grossartig, dass ich mich zum Begeisterungssturm am Anfang dieser Besprechung hinreissen liess.

Während bei vielen Büchern der Titel der stärkste Satz ist, verhält es sich bei diesem Buch genau umgekehrt. Es ist ein Buch über die Liebe. Und dazu gehören auch Affären, ob platonische oder sexuelle, laute oder leise, kurze oder lebenslange. Und da der Untertitel psychologiefeindliche Leser abschrecken könnte, finde ich auch den nicht geglückt. Denn obwohl der Autor Professor für klinische Psychologie und Familienpsychologie in Hamburg ist, bereits mehrere Fachbücher über Ehe und Partnerschaft veröffentlichte, manchmal Erlebnisse und Gespräche von Therapiesitzungen einfliessen lässt, erinnerte mich dieses Buch nie an gängige „Ich weiss wie der Mensch tickt – Ratgeber“. Wolfgang Hantel-Quitmann lässt an allen entscheidenden Stellen die zu Wort kommen, die uns Zeichensprachen des Unbewussten in Sprache übersetzen. Seine Auswahl ist grossartig. Wir hören die passenden Schriftsteller und die passenden Sätze. Der Psychologe verbindet sie „lediglich“ mit unseren Fragen und stellt ein Ordnungsmuster zur Verfügung, in dem wir uns so gut zurecht finden, weil es mit alltäglichen Erfahrungen identisch ist. Wer Lust hat, eines der zitierten Werke ganz zu lesen, findet die Quellenangaben am Schluss des Buches. Mich verführten die Textstellen von Goethe dazu, eines meiner Lieblingsbücher wieder aus dem Gestell zu nehmen. Mit Wolfgang Hantel-Quitmann bin ich nicht nur im Punkt einig, dass es kaum einen vielschichtigeren Roman über die Liebe gibt als die Wahlverwandtschaften.

Mein Fazit: In der grossen Flut von Lebens- und Liebesratgebern steht dieses Buch ziemlich einsam da. Wenn es durch diese Besprechung mehr Gesellschaft und mehr Bewunderer findet, haben sich meine Fingerübungen gelohnt. Was ist die Liebe? Was hat eine Affäre mit der eigenen Beziehung zu tun? Wann und wofür lohnt es sich zu kämpfen? Die Weltliteratur und das Leben haben Antworten bereit, aus denen wir immer wieder wählen können.


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