Rezension zu Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung
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Rezension von Dunja Voos
»Manche Therapeuten unterstellen Borderline-Patienten Falschheit,
Hinterlist und Unaufrichtigkeit. Wer diese Zuschreibungen für
richtig hält, sollte keinen Borderline-Patienten behandeln.« Dieser
Satz von Seite 302 aus dem Buch »Psychotherapie der
Borderline-Persönlichkeitsstörung« zeigt, wie viel Verständnis die
Autoren für ihre Borderline-Patienten haben. Die Psychoanalytiker
Anthony Bateman und Peter Fonagy erklären mit großer Sorgfalt, wie
die Borderline-Persönlichkeitsstörung verstanden werden kann.
Erschienen ist es im Jahr 2008 im Psychosozial-Verlag (509 Seiten,
79,90 Euro). Es richtet sich an Psychoanalytiker,
Psychotherapeuten, Psychiater und Vertreter anderer psychosozialer
Berufe. Die Autoren beschreiben in diesem Buch die von ihnen
entwickelte Therapieform, die auch als Ergänzung zu anderen
Therapieformen verstanden werden kann: Die mentalisierungsbasierte
Psychotherapie (MBT).
Was für ein Buch!
Dieses Buch ist ein echter Happen. Es nimmt den Leser mit auf die
Reise durch die psychoanalytische Entwicklungspsychologie, durch
die Borderline-Theorien und die verschiedenen Therapieformen.
Jeder, der verstehen möchte, wie ein Kind sein eigenes »Selbst«
begreift und warum manche Menschen nur ausgeglichen leben können,
wenn andere sie schlecht behandeln, dem sei dieses Buch wärmstens
empfohlen. Allerdings ist es für Laien streckenweise nur sehr
schwer verständlich. Fonagy und Bateman beschreiben, wie Kinder die
Fähigkeit erlangen, über sich selbst und andere nachzudenken. Das
Nachdenken über psychische Zustände wie z.B. Wünsche, Gefühle oder
Absichten, nennt sich »Mentalisierung«. Diese Fähigkeit zu
erlangen, ist nicht selbstverständlich. Sie entsteht über die enge
Beziehung des Kindes zu Mutter und Vater. Borderline-Patienten
haben oft eine eingeschränkte Mentalisierungsfähigkeit. Diese zu
fördern, ist Ziel der mentalisierungsbasierten Psychotherapie
(Mentalisation based Therapy, MBT). Dabei wird sehr viel Wert auf
die Eigenständigkeit des Patienten gelegt – ihm also »Medikamente
aufzudrücken« oder bei Selbstmordäußerungen sofort zu handeln,
steht dem Konzept entgegen. Immer entscheidet der Patient mit, was
mit ihm passiert.
Keine Dogmen
Fonagy und Bateman sprechen über ihre Patienten in liebevoller
Weise. Man hat das Gefühl, dass sich die Autoren so sehr mit den
Betroffenen auseinandergesetzt haben, dass sie sie wirklich
verstehen. Dennoch zeigen sich die Autoren bescheiden: Sie machen
darauf aufmerksam, dass auch ihr Buch »Fehler« enthält und dass
ihre Ansichten und ihre Therapieform nicht als Dogma zu verstehen
ist. Die MBT kann als Rahmen für verschiedene Therapieformen
dienen. Die Autoren möchten Therapeuten nicht »umkrempeln«, sondern
ihnen ein wertvolles zusätzliches Werkzeug mit an die Hand geben.
Um das Buch zu verstehen, ist wahrscheinlich einiges an Vorbildung
notwendig – wer selbst eine psychoanalytische Therapie gemacht hat,
sich in der Ausbildung zum Analytiker befindet oder bereits als
Therapeut arbeitet, hat wahrscheinlich mehr Freude an diesem Buch
als jemand, der gerade anfängt, sich mit den Themen
»Borderline-Persönlichkeitsstörung« und »Mentalisierung«
auseinanderzusetzen. Die Sätze der Autoren sind so manches Mal
schlichtweg zu lang – obwohl sie sich schon sichtlich um eine
verständliche Sprache bemüht haben. Wenn das Buch noch ein wenig
»einfacher« geschrieben wäre, könnten sich wahrscheinlich noch mehr
Leser dafür interessieren. Aber ansonsten: Einfach klasse!
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