Rezension zu Jugendbewegung - Jugendforschung

Soziologische Revue Jahrgang 18 (1995)

Rezension von Konrad Birkmann

Siegfried Bernfeld (1892-1953), aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammend, war scharfsinnig, undogmatisch, hellsichtig, vielfach interessiert – theoretisch wie praktisch – kurz, er war ein brillanter Intellektueller, der in seiner Person die Gegensätze, Widersprüche und sich abzeichnenden Entwicklungsmöglichkeiten der Moderne bündelte und zur Entfaltung brachte.

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Im urbanen Milieu aufgewachsen, lebte und wirkte er in zwei Zentren der europäischen Moderne, Wien und Berlin. Er dachte, schrieb und handelte im Hinblick auf die städtische Jugend, die Naturromantik der Wandervogel-Bewegung war ihm fremd. Deshalb hat uns Bernfeld heute vielleicht noch mehr zu sagen, als manche Naturromantiker der Reformpädagogik, deren Gedanken und Erziehungspraxis er ins städtische Milieu zu übertragen versuchte.

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Sein unermüdliches Suchen nach einem tauglichen Begriff von Jugend, der ihm Grundlage für eine umfassende Reform öffentlicher wie familiärer Erziehung werden sollte, bietet uns aber heute noch die Möglichkeit, lesenderweise verschüttete oder nie betretene Wege zur Klärung des Phänomens Jugend zu entdecken. Selbstvergewisserung durch eine Lektüre von Bernfelds Texten könnte Jugendsoziologen dienlich sein, gewinnen sie doch dadurch einen authentischen Blick auf die Genese ihres inzwischen (allzu) selbstverständlichen Arbeitsgebietes.

Rezension zur Werkausgabe von Beltz (1995)

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