Rezension zu Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung Band I-IV

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Rezension von Süselbeck Jan

Nachlese: Hinweise auf jüngere Veröffentlichungen zur Psychoanalyse
Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht immer gelingt es der Redaktion von literaturkritik.de für die zur Rezension bestellten Bücher oder für solche, die ihr ohne Bestellung zugeschickt werden und die von ihr als rezensierenswert eingeschätzt werden, geeignete Rezensenten zu finden. Und gelegentlich kommt es vor, dass Rezensenten ihre Arbeitskapazität überschätzen und der Redaktion die ihnen zur Kritik anvertrauten Bücher zurückschicken. Auf einige dieser Bücher, die die Psychoanalyse betreffen, sei hier in knapper Form hingewiesen.

Eine erstrangige Quelle zur Geschichte der Psychoanalyse sind die »Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung«. Seit Oktober 1902 versammelte sich im Hause Freuds regelmäßig die »Psychologische Mittwochs-Gesellschaft«. Aus ihr ging 1908 die Wiener Psychoanalytische Vereinigung hervor. Seit 1906 wurden die legendären Mittwochssitzungen des Kreises um Freud genau protokolliert. Die Protokolle enthalten neben einer Auflistung der Anwesenden und einer Zusammenfassung der gehaltenen Vorträge ausführliche Berichte über den anschließenden Verlauf der Diskussion. Das weit gespannte Themenspektrum umfasste theoretische und praktische Aspekte der Psychologie, Medizin, Psychosomatik, Bildung, Erziehung, Kunst und Literatur. Die erste protokollierte Sitzung, die sich einem literarischen Text widmete, wurde im Februar 1907 mit einem Vortrag über Wedekinds »Frühlings Erwachen« eingeleitet. Im Vortrag und in der zum Teil sehr kontroversen Diskussion, an der sich neben Freud u.a. Otto Rank, Isidor Sadger, Paul Federn und Alfred Adler beteiligten, ging es vor allem um Wedekinds Darstellung der Sexualität und des Wahns und dabei um die Frage, die die Gruppenmitglieder bereits bei der Lektüre von Wilhelm Jensens »Gradiva« umgetrieben hatte: Woher wissen die Dichter diese Dinge ganz Ähnliches wie Psychoanalytiker? Wer sich über die Interessen der damaligen Psychoanalyse an Literatur informieren möchte, für den sind die Protokolle eine Fundgrube. Und ihre Veröffentlichung allein schon ist symptomatisch für die jüngere Geschichte der Psychoanalyse. Sie erschienen zuerst in den 1950er Jahren in einer amerikanischen Übersetzung. In den USA war die Psychoanalyse damals weit anerkannter als in Deutschland. Erst in den 1970er Jahren verlegte S. Fischer die ursprünglich deutsche Version. Die Ausgabe war später lange vergriffen. Dem Psychosozial-Verlag kommt das Verdienst einer Neuausgabe im Jahr 2008 zu.
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