Rezension zu 20 Jahre deutsche Einheit - Facetten einer geteilten Wirklichkeit
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Zum 20-jährigen Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung stellen
sich die beiden Herausgeber die Frage: »Teilen wir
wiedervereinigten Deutschen […] eine gemeinsame Wirklichkeit?«
(10). Anhand von empirischen Untersuchungsergebnissen soll dieser
und ähnlichen Fragen nachgegangen werden. Dabei machen die
Herausgeber bereits im Vorwort klar, dass die Erwartung blühender
Landschaften »als Entschuldigung [für die] wirtschaftlichen Schäden
infolge der mit der D-Mark brachial eingeführten Wirtschafts- und
Währungsunion« (9) diente. Die politische Richtung dieses Buches
scheint also bereits durch Titel und Vorwort klar. Für Politologen
sei insbesondere auf drei Artikel hingewiesen. Für Irina Mohr ist
die negative Bewertung der DDR-Vergangenheit von einem
»konservativen Geschichtsbild« (202) dominiert: Die
Nicht-Anerkennung der DDR weist sie exemplarisch für die Bereiche
Kunst sowie Bildung und Soziales nach. Sie plädiert deshalb für
einen »konstruktiven Streit«, für ein »Ringen um eine
gesellschaftliche Idee, die an den Bedürfnissen der Menschen statt
am Dogma der Kapitelverwertung ansetzt“ (203). Rolf Reißig, damals
Mitautor des SED-SPD-Dialogpapiers vonseiten des ZK, begreift die
Wiedervereinigung als einen Transformationsprozess auf beiden
Seiten. Es gelte, die Vorstellungen von einer Angleichung mit denen
einer Gleichheit und Gleichwertigkeit zu ersetzen. Deshalb seien
rein quantitative Aspekte wie etwa Arbeitsproduktivität und
Konsumentwicklung als nachrangig für eine Demokratie zu betrachten
und stattdessen Partizipation und Bildung stärker zu betonen. Der
dritte Artikel stammt von Wolf Wagner und bietet eine Darstellung
seiner 1996 erstmals veröffentlichten (und nicht unumstrittenen)
These des Kulturschocks. Er meint, dass sich das Verhalten von
Menschen, die auf eine neue, fremde Kultur treffen, in vier Phasen
einteilen lässt: Euphorie, Entfremdung, Missverständnis,
Verständigung. Diesen Ansatz überträgt Wagner auf die Bürger der
neuen Bundesländer, die nach der Wiedervereinigung mit der Kultur
der Bundesrepublik konfrontiert wurden. Die Autoren der anderen
Beiträge beleuchten das Thema deutsche Wiedervereinigung vor allem
aus psychologischer, medizinischer, soziologischer oder auch
persönlicher Sicht.
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