Rezension zu Psychoanalyse des Alkoholismus
Psychologie in Österreich 4/2010 Themenschwerpunkt Parapsychologie & Grenzwissenschaften
Rezension von Petra Hinteregger
Alkoholismus ist die am weitesten verbreitete Sucht, verursacht
gesellschaftlich die meisten Kosten, zerstört viele Familien und
führt häufig zum Tod der Betroffenen. Trotzdem sind laut dem Autor
Dr. Wolf-Detlef Rost, Psychoanalytiker und Supervisor in freier
Praxis mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen, Alkoholiker
eine sehr unbeliebte Klientel bei Psychoanalytikern und werden auch
nach jahrelanger Abstinenz nur selten in Therapie genommen.
Therapeutisches Arbeiten mit Alkoholikern heißt vor allem, Respekt
und Wertschätzung ihnen gegenüber aufzubringen, besonders gegenüber
der Leistung einer Abstinenzerlangung unter oft ungünstigsten
Umständen. Vorausgesetzt der Betroffene ist zur Abstinenz motiviert
und nicht zu autodestruktiv veranlagt, ist eine Psychotherapie mit
einem Alkoholiker nicht schwieriger und nicht prognostisch
ungünstiger als mit irgendeinem anderen Klienten.
Mit seinem Buch will der Autor das Verständnis für die
Psychodynamik hinter der Sucht fördern, da der Alkoholismus nur das
Symptom einer tiefer liegenden Störung ist, die erst mit der
Abstinenz wirklich zum Durchbruch kommt.
Nach der Einleitung, die das Problem Gesellschaft und Sucht,
Modedroge und Alkohol eingrenzt sowie die Persönlichkeit des
Alkoholikers näher beschreibt, werden verschiedene
psychoanalytische Modelle vorgestellt, unter der Prämisse die
Bedeutung des Symptoms Alkohol bei einer bestimmten Person zu
klären.
Das Konfliktmodell der Triebpsychologie erkennt im
Suchtmittelgebrauch den Versuch einen Triebkonflikt zu lösen. Laut
strukturpsychologischem Modell kommt das Suchtmittel in einem
Selbstheilungsversuch einem unentwickelt gebliebenen, schwachen Ich
zu Hilfe. Als letztes Modell wird das objektpsychologische Modell
vorgestellt, für das das Suchtmittel in einem vorwiegend
selbstdestruktiven Prozess Ersatz bzw. Wiederholung einer
frühkindlichen Beziehung darstellt.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Beziehungen, Familie und
Kindheit des Süchtigen.
Den Kernpunkt des Buches stellt das Kapitel VII dar, in welchem die
unterschiedlichen psychoanalytischen Perspektiven in ein
psychodynamisches Modell der Sucht integriert werden, dessen
diagnostische Brauchbarkeit anhand der im folgenden Kapitel
vorgestellten Fallbeispiele überprüft wird.
Das letzte Kapitel befasst sich mit der Psychotherapie der
Alkoholabhängigkeit, wobei auch die Psychodynamik der wichtigsten
Einrichtungen und die Strukturen von Selbsthilfegruppen und
Suchtkliniken untersucht werden. Abschließend wird ein - nur
vorläufiges -»Idealmodell« einer Psychotherapie bzw. Therapiekette
für die unterschiedlichen Formen von Alkoholabhängigkeit entwickelt
und vorgestellt.
Das vorliegende Buch ist gut zu lesen und für Personen geeignet,
die psychoanalytisch mit Alkoholabhängigen arbeiten, zu beachten
ist jedoch, dass das Buch bereits 25 Jahre alt ist und nur dadurch,
dass es seit fast zwei Jahren vergriffen doch immer wieder
nachgefragt wurde, neu aufgelegt und um ein aktuelles Vorwort
ergänzt wurde.