Rezension zu Übertragungsliebe

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Rezension von Henrik Mertens

Das Buch »Übertragungsliebe. Psychoanalytische Erkundungen zu einem brisanten Phanömen«, behandelt das Thema der Liebe, die bei der Sitzung in der Psychoanalyse zwischen dem Analysanden und dem Analytiker entstehen kann. Geschrieben wurde das Buch von den Autoren H. Sebastian Krutzenbichler und Hans Essers. Beide ihres Zeichens Psychologen.
Das Buch definiert auf den ersten Seiten, was der Laie unter der Übertragungsliebe zu verstehen hat. Übertragungsliebe ist ein psychoanalytischer Begriff für die Übertragung von Liebe von einem ursprünglichen auf ein neues Ziel bewirkt. Der Begriff wird aufgrund seiner häufigen Verwendung im Kontext der Psychoanalyse heute meist im Sinne einer psychischen Störung verwendet. Das Buch gibt in der Vorbemerkung einen Einblick auf die Geschichte, die hinter dem Thema der Übertragungsliebe steht. Diese ist eng mit Siegmund Freud verbunden, die Autoren führen in die Thematik der Übertragungsliebe ein, indem sie zeigen, wie die Übertragungsliebe durch Siegmund Freud entdeckt wurde. Sie zeigen im ersten Abschnitt explizit an bestimmten Fällen, wie zum Beispiel dem der Bertha Pappenheim, wie es zur Übertragungsliebe kommen kann und wie diese sich zu jener Zeit im 19. Jahrhundert ausdrückte. Bertha Pappenheim war bei dem Arzt Joseph Breuer in psychoanalytischer Behandlung, es entwickelten sich aber im Laufe der Behandlung zwischenmenschliche Gefühle zwischen den beiden. Joseph Breuer beendete die Affäre allerdings, da seine eigene Frau von der Affäre Wind bekam und ihn vor die Entscheidung entweder sie oder ich stellte. Wie schon erwähnt ist der Anfang des Buches durch eine historische Aufarbeitung des Themas Übertragungsliebe geprägt. Hier zählen die Autoren die einzelnen Fälle der Übertragungsliebe im 19ten Jahrhundert zur Zeit von Freud auf und zeigen, was mich überraschte, wie häufig die Liebe zwischen Patienten und Psychologen verbreitet war und noch heute ist. So waren zwischenmenschliche Gefühle in psychoanalytischen Sitzungen keine Seltenheit. Nicht selten endeten diese in der Heirat der Betroffenen Personen.
Auch zeigen die Autoren den Umgang mit der Übertragungsliebe. So wird gezeigt, dass diese eher ein Tabuthema war, mit dem man sich so wenig wie möglich auseinander setzt. Man versuchte viel mehr dieses heikle Thema zu verdrängen. Freud hingegen versuchte das Thema aufzugreifen und durch seine eigene Betroffenheit aufzuarbeiten. Betroffen war er in soweit davon, das viele ihm bekannte Psychoanalytiker Beziehungen mit Patienten eingingen und auch er von einigen seiner Patienten Übertragungsliebe erfahren hat.
Aufgrund dieser Tatsache veröffentlichte Freud viele Aufsätze und Facharbeiten zu dem Thema, um dem Analytiker das Thema nahe zubringen und ihm einen »Leitfaden« an die Hand zu geben. So hoffte er dieses Thema zu überwinden. Nach der einleitenden Erklärung zu dem was Übertragungsliebe ist und wie sie sich zu der Zeit Freud zugetragen hat, gehen die Autoren in dem Kapitel »der scharfgesichtige Blechaffe und seine Folgen« auf Affäre von Carl Gustav Jung und Sabine Spielreim ein. Hier zeigt wieder, wie leicht es zur Liebe zwischen Analysand und Psychologe kommen kann und wie verzwickt die Liebe werden kann. In Briefen Freuds, die im Buch bruchstückhaft auftauchen, wird klar, das Freud den Psychologen zu einer Beendigung der Liebe rät, allerdings auch positive Aspekte der Übertragungsliebe abgewinnen kann.
Weiter hinten im Buch wird die Übertragungsliebe noch genauer diskutiert, es fällt auf, dass sich die Fachwelt lange ihrer verschlossen hat, insbesondere nachdem Freud aufgehört hatte darüber zu schreiben. Allerdings wird das Thema in der Neuzeit durch eine Reihe von Aufsätzen und Facharbeiten wieder belebt und danach heiß diskutiert. Eine Meinung ist, dass die Übertragungsliebe eine Notwendigkeit in der Arbeit mit den Analysanden ist und man sich ihrer bewusst werden muss, um sie so für die Heilung der zu analysierenden Person zu nutzen. Allerdings ist auch klar, dass diese Liebe zwischen Patient und Arzt nicht geduldet werden kann.
Ganz extreme Formen sind zum Beispiel der Rat, dass sich der Analytiker dem Patienten gegenüber möglichst gefühlskalt zeigen soll und so jegliche zwischenmenschliche Beziehung ersticken soll. Andere sehen, wie schon erwähnt, gerade in der Übertragungsliebe eine Chance dem Patienten zu helfen. Hiernach bespricht das Buch die verschiedenen möglichen Formen der Übertragungsliebe und zeigt, dass es auch Liebe zwischen einer Psychologin und ihrem Patienten und homophobe Liebe gegeben hat.
Gegen Ende des Buches wird viel über das Thema Liebe gesprochen und anhand einer Vielzahl von Beispielen die Erfahrung der Psychoanalytiker mit dem Thema und ihrer einzelnen Meinungen dazu gezeigt.
Der Text schließt damit, dass man sich gewahr werden muss, dass die Übertragungsliebe immer ein Knotenpunkt in der Psychoanalyse bleiben wird.

Nun zu meiner persönlichen Meinung zu dem Buch:
Ich muss sagen, dass ich das Buch sehr anregend fand, auch weil ich mich zuvor noch nie dem Thema Übertragungsliebe gewidmet habe. Ich muss gestehen, dass mir vor der Lektüre nicht wirklich bewusst war, wie häufig so etwas vorkommen kann und auch vorkommt. Auch muss ich gestehen, dass ich mir vorher nicht wirklich Gedanken zu dem Thema gemacht habe und deshalb bei der Lektüre des Buches an der einen oder anderen Stelle gestaunt habe. Das Buch hat mich auf jeden Fall zum nachdenken angeregt und ich habe mich über ein sehr interessantes Thema informieren können. Wie gesagt, vorher war mir das Thema fast unbekannt, vielleicht fand ich auch deshalb das Buch so spannend, weil es mir einen Einblick in dieses für mich neue Thema gewährt hat. Auch der Schreibstil der Autoren und die Anordnung der Texte fand ich sehr hilfreich. An einigen Stellen hätte ich mir mehr Reflexionen des dargestellten von Seiten der Autoren gewünscht. Auch kam mir der Text an vielen Stellen wie eine Aufarbeitung historischer Gegebenheiten vor. Dies hat dem Thema an sich und meiner Begeisterung das Buch zu lesen aber wenig Abklang gebracht.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich das Lesen genossen habe und das Buch meinen Horizont erweitert hat. Ein gelungenes Werk in die Einführung in ein solches Gebiet der Psychoanalyse. Deshalb kann ich jeden nur ermuntern das Buch zu lesen. Auch für nicht Psychologen sicher eine interessante Lektüre. Durch weitere Internetrecherche wurde mir auch bewusst, wie hoch die Brisanz des Themas auch heute noch ist und wie viele ungeklärte und unentdeckte Fälle der Übertragungsliebe es auch heute noch geben muss.

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