Rezension zu Übertragungsliebe
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Rezension von Ann-Kathrin Günter
Das Buch »Übertragungsliebe« von Sebastian H. Krutzenbichler und
Hans Essers erscheint in der Reihe »Bibliothek der Psychoanalyse«
im Juli 2010 im Psychosozial-Verlag. Es ist die Neu- und
Fortschreibung des bereits 1991 erschienen Buchs »Muß denn Liebe
Sünde Sein? Über das Begehren des Analytikers« im Kore-Verlag.
Das knapp 200 Seiten umfassende Buch beinhaltet 14 übersichtliche
Kapitel und ist nicht nur eine umfassende Auseinandersetzung mit
der Übertragungsliebe, es ist auch eine Führung durch die Anfänge
der Psychoanalyse bis hin zur heutigen Auseinandersetzung mit dem
»Knotenpunkt« Übertragungsliebe. Umso lebendiger gestaltet sich
diese Führung, dadurch dass jedes Kapitel mit vielen Zitaten aus
den zahlreichen Briefwechseln und Veröffentlichungen der großen
Psychoanalytiker gespickt ist. Allerdings werden diese – ein
wirklich großer Pluspunkt – nicht nur einfach zitiert, sondern in
einen fließenden – und so dem Leser verständlichen – Zusammenhang
gebracht. So hat mir das Buch vor allem geholfen die vielen
Verstrickungen in den Verhältnissen der Psychoanalytiker zu ihren
Patientinnen, die durch viele Autoren auch noch unterschiedlich
interpretiert werden, zu entwirren und klarer erscheinen zu
lassen.
Die ersten Kapitel setzen sich gänzlich mit den Anfängen der
Psychoanalyse auseinander. Jeweils ein Kapitel widmet sich den
Verwicklungen berühmter Analytiker wie Breuer, Jung oder Ferenczi
mit ihren mittlerweile ebenso bekannten Patientinnen Anna O.,
Sabina Spielrein sowie Gizella und Elsa Palos. Das Buch beschreibt
welche Rolle die Übertragungsliebe in dieser frühen Zeit in der
Entwicklung der Psychoanalyse einnimmt und welche unterschiedlichen
Positionen diesbezüglich beispielsweise Freud und Ferenczi
einnehmen.
Im weiteren Verlauf erläutert das Buch detailliert die weitere
theoretische Auseinandersetzung bzw. den Umgang der
psychoanalytischen Gemeinde mit dem Tabuthema Übertragungsliebe.
Wie kam es zu den einzelnen Veröffentlichungen? Welche (privaten)
Beweggründe steckten dahinter? Wie haben sich die Positionen
differenziert und gefestigt? All diese Fragen werden ausführlich –
erneut mit Hilfe zahlreicher Belege – beantwortet.
Danach folgt eine intensive Behandlung der Frage: »Wie nun
praktisch umgehen mit der Übertragungsliebe?« im Kapitel »Muss denn
Liebe Sünde sein?« Auch hier wird die Entwicklung unterschiedlicher
Aspekte nachgezeichnet.
In den letzten Kapiteln werden vorwiegend zahlreiche neue
Veröffentlichungen und Beiträge rund um den Themenkomplex
vorgestellt und diskutiert. Hier hat mir vor allem der alle
psychoanalytische Schulen übergreifende Diskurs gefallen.
Die Autoren zitieren zu Beginn Paul Parin: »Die Psychoanalyse kann
man am besten verstehen, wenn man ihrer Geschichte nachgeht.« Dem
kann ich nach der Lektüre nur zustimmen! Man versteht vieles auch
im Zuge der aktuellen Diskussion rund um das Thema »Sexuelle
Beziehungen zwischen Therapeut und Patientin« besser nachdem man
dieses Buch gelesen hat.
Ich würde die Lektüre des Buches wirklich uneingeschränkt
empfehlen! Sowohl an Studierende, bspw. auch als Begleitbuch zur
Einstiegslektüre von den »Studien zur Hysterie«, an Personen, die
sich in einer analytischen Ausbildung befinden sowie an alle
anderen Interessierten!
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