Rezension zu 20 Jahre deutsche Einheit - Facetten einer geteilten Wirklichkeit
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Rezension von Martina Große
Das vorliegende Buch »20 Jahre deutsche Einheit- Facetten einer
geteilten Wirklichkeit« von Elmar Brähler und Irina Mohr hat mich
sofort angesprochen, da mich der Titel neugierig ge¬macht hat. Seit
meiner Schulzeit habe ich mich intensiv mit deutscher Geschichte
befasst, wobei das geteilte Deutschland immer zu kurz gekommen ist.
Deswegen habe ich mich dazu entschieden, mich mit diesem Buch
vertraut zu machen, in der Hoffnung viele unterschiedliche
Positionen zu diesem Thema kennenzulernen, um den historischen
Hintergrund besser nachvollziehen zu können. Es interessiert mich
ganz besonders, ob sich nach 20 Jahren etwas verändert hat oder
nicht. Im Folgenden beziehe ich zu den einzelnen Facetten des
separierten Deutschlands Stellung.
Die Bundesrepublik Deutschland existiert mittlerweile seit 20
Jahren und kann sich laut Jakob Hein endlich als »Voll
geschäftsfähig« bezeichnen. Mir gefällt an dieser Stelle der
ironische Unterton des Autors, weil er auf spöttische Weise
aussagt, dass es Deutschland endlich gelungen ist, aus seinen
Kinderschuhen zu schlüpfen und bereit ist selbst für sich
Verantwortung zu tragen.
In dem nachfolgenden Text »Der Osten in mir« beschreibt die Autorin
Annett Gröschner ihre eigene Zerrissenheit zwischen Ostdeutschland
und Westdeutschland nach dem Mauerfall. Aus meiner Sicht kann man
als außen stehende Person sich nicht in sie hineinversetzen, weil
man nicht wie sie selbst in der DDR gelebt hat und somit auch nicht
den Fall der Berliner Mauer und die damit verbundenen Veränderungen
miterlebt hat.
Der Autor Peter Bender erklärt in seinem Text die »Sieben Wunder
der Vereinigung« wie es zum totalen Zusammenbruch des Kommunismus
in Europa kam. Meiner Meinung nach beschreibt er hier sehr
eindrücklich in kleinen Schritten wie dieser Prozess schleichend
vonstatten ging und dabei den Zerfall des europäischen Kommunismus
bewirkte.
Anhand des Kulturschocks nach der Vereinigung von Ost- und
Westdeutschland schildert der Autor Wolf Wagner, wie es zu
Enttäuschungen und Verbitterungen der deutschen Bevölkerung kam.
Meiner Ansicht nach gelingt es ihm nicht, klar herauszustellen,
weshalb die deutsche Bevölkerung unter der Vereinigung Deutschlands
leidet.
Der folgende Text von Ulrich Busch handelt von den
unterschiedlichen Ansichten der DDR- Bürger über die
Eigentumsverhältnisse, die zur Folge hatten, dass sich weder die
Planwirtschaft erneuern noch dass sich eine basisdemokratische
Lösung finden ließ, weil es aufgrund von Überforderung keine
Einigung geben konnte. Ich finde, dass er hier sehr viele
Spekulationen anführt, die für mich als Leserin nicht
nachvollziehbar sind wie zum Beispiel die Entstehung von
Treuhandanstalten, die die Übernahme des marktwirtschaftlichen
Konzeptes bremsten oder die Aufteilung des Vermögens der DDR auf
ihre Mitbürger.
Der Autor Friedrich Schorlemmer bringt mit einem Slogan zum
Ausdruck, wie die DDR definiert ist, nämlich so: »Entmündigung
durch Umhegung, Befreiung durch Enteignung!« Ich finde diese
Aussage von ihm sehr gut, da sie die Realität in Ostdeutschland
widerspiegelt. Des Weiteren finde ich bemerkenswert, dass man die
Mauer laut seiner Aussage als Schutzwall aber auch als Gefängnis
betrachten kann.
Deutschland erlangte durch den »Status quo« nach Hans-J. Misselwitz
seine Autonomie nach der Vereinigung innerhalb Europas zurück,
obwohl der Staat Schwierigkeiten hatte, sich im Staatengeflecht von
Europa zu positionieren, womit auch das Ende des Kalten Krieges
einherging. Es gefällt mir, dass er zum Schluss einen Ausblick auf
die heutige Zeit gibt, indem er zum einen von der Distanzierung zu
Russland nach der Vereinigung berichtet und zum anderen von der
Widerannäherung an Russland durch die Initiative des US-
Präsidenten Barrack Obama.
Im Text über den sozialen Wandel nach der Vereinigung Deutschlands
gibt der Autor Olaf Reis bekannt, dass Kinder aus Ostdeutschland
acht Jahre nach der Wiedervereinigung von ihren Eltern für die
damalige Lage mitschuldig gemacht werden. Meiner Meinung nach
nehmen die Konflikte innerhalb von Familien zu, da die Eltern einer
anderen Generation angehören und der Autor nennt noch weitere
Gründe dafür, was ich persönlich schön finde, weil man dadurch
nicht nur einen einseitigen Blick auf die Dinge bekommt.
Der Lebensstil der Menschen im vereinigten Deutschland hat sich
dahingehend geändert, dass die Menschen frei entscheiden können,
wie sie ihr Leben gestalten wollen. Es wird hierzu treffend
bemerkt, dass dadurch immer mehr Frauen ihren Kinderwunsch
aufgaben. Eine Familie zu gründen stand nicht mehr an erster
Stelle, sondern die Selbstverwirklichung des Individuums.
Der folgende Text »Tickt der Osten anders?« bezieht sich auf die
Mediennutzung der Menschen aus Ostdeutschland, die einen sehr
offenen Umgang mit den Medien pflegen im Gegensatz zu den Menschen
aus Westdeutschland. Ich nehme an, dass das nicht so ohne Weiteres
beweisbar ist, da es kaum Studien darüber gibt. Deshalb halte ich
die vorhin erwähnte Hauptthese für sehr vage.
Es folgt nun eine Gegenüberstellung zwischen Einstellungen der
Menschen aus Ostdeutschen vor und nach der Wiedervereinigung und
dabei ist den Autoren aufgefallen, dass die Systemgegner die
Wiedervereinigung Deutschlands kritischer ansahen als die
Systembefürworter. Die hervorgehobenen Daten betonen diesen Fakt
und verleihen ihm meiner Ansicht nach einen höheren
Wahrheitsgehalt.
Im nächsten Abschnitt kritisiert die Autorin Jutta Strittmatter,
dass andere Frauen ihre ostdeutsche Identität verleugnen. Sie
findet diese Einstellung falsch. Auch hier sehe ich wieder das
gleiche Problem wie in einem vorangegangenen Text, dass man der
Autorin nicht nachempfinden kann, wie sie die Wiedervereinigung und
das Verhalten ihrer Mitmenschen aus Ostdeutschland beurteilt.
Die deutsche Einheit erfolgte nach Rolf Reißig, dadurch dass sich
die Bundesrepublik Deutschland eine neue Regierungsform gab mit der
Angliederung an das Grundgesetz. Ich finde es gut, dass der Autor
in diesem Fall kritisch anmerkt, dass die Menschen aus dem Osten
sich verändern sollten und die Menschen aus dem Westen nicht. Die
Einen strebten nach Wiederaufbau und Erneuerung, während die
Anderen alles so lassen wollten, wie es war und darin sieht der
Autor korrekterweise den Ursprung für die nach wie vor bestehenden
Konflikte zwischen Menschen aus Ost- und Westdeutschland.
Die folgenden Texte beziehen sich alle auf Statistiken zum
Konsumverhalten der Menschen aus Ost- und Westdeutschland nach der
Wiedervereinigung, wobei sich ganz unterschiedliche Dinge ergeben,
die einem selbst entweder direkt bewusst sind oder eben
überraschend auf mich als Leserin wirken.
Abschließend möchte ich zu diesem Buch sagen, dass es sehr
informativ ist und verschiedene Perspektiven nach der
Wiedervereinigung Deutschlands aufzeigt. Mir fehlte allerdings eine
Einschätzung eines Menschen aus Westdeutschland vor und nach der
Wiedervereinigung.
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