Rezension zu Der grausame Gott und seine Dienerin
Psychologie heute Januar 2011
Rezension von Peter Geißler
(...)
Noch immer leiden Menschen unter den »verderblichen Relikten einer
falschen kirchlichen Erziehung« und eine davon ist Hannah H., die
bei Moser psychotherapeutische Hilfe sucht. Ihr Leidensgefühl ist
so groß, dass sie die Anreise von fünf Bahnstunden in Kauf nimmt.
Die Therapiesitzungen werden auf Tonband aufgenommen, und Hannah H.
fertigt Transkripte an, um die therapeutischen Sitzungen
nachträglich für sich selbst nochmals zu bearbeiten. Daraus
entwickelt sich die Idee eines gemeinsamen Buches. Das Resultat ist
ein 637 Seiten starkes Opus magnum, das als Meilenstein insofern
bewertet werden muss, als es nicht nur Einblick gibt in die
Besonderheiten dieser ekklesiogenen (kirchenbedingten) Neurose,
sondern ebenso in die Arbeitsweise der analytischen
Körperpsychotherapie.
(...)
Die unmittelbare Wirkung der Texte auf den Leser erinnert
stellenweise an Hannah Greens Klassiker »Ich habe dir nie einen
Rosengarten versprochen«, die Schilderung einer erfolgreichen
Therapie bei einer jungen schizophrenen Patientin. Gemeinsam ist
diesen beiden Büchern, dass nachvollziehbar wird, wie unsagbares
Leid in den Wunsch, ja in die Notwendigkeit münden kann, sich aus
Überlebensgründen Götter selbst zu erschaffen. Das Entsetzliche an
dieser ursprünglich kreativen Lösung der Seele besteht in der
Macht, die diese Götter schließlich erlangen, denn sie mutieren von
einstmaligen Beschützern schließlich zu Verfolgern und
Tyrannen.