Rezension zu Ekel als Folge traumatischer Erfahrungen
Psychotherapeut 4/2010
Rezension von Tilmann Moser
Es ist, als ob das Thema Ekel selbst dafür gesorgt hätte, dass es
2009 überhaupt zum ersten hochrangig besetzten Kongress über diesen
Affekt gekommen ist. Das Leipziger Traumatherapeutenpaar Ralf und
Irina Vogt hat ihn, mit wichtigen eigenen Beiträgen vertreten,
organisiert. Der Band bringt die gesammelten Vorträge in
erschwingliche Form, und man darf vermuten, dass das Thema in
Zukunft den verdienten Platz erhalten wird, der ihm im sich
ausweitenden Diskurs über Traumatisierung zukommt.
(...)
Ekel ist Selbstschutz gegen Enttäuschung und Schmerz, auf die das
Kind sich nicht mehr angemessen zur Wehr setzen kann. Insofern ist
Ekel eine Art Notwehr, die doch anders ist als Erstarrung,
Dissoziation, Devitalisierung, im Extrem der Totstellreflex und die
Emigration der Seele außerhalb ihres sie bergenden Körpers.
(...)
Die Einbettung des Ekels in die moderne Traumaforschung und
Traumatherapie schließt eine wichtige Lücke, die u. a. dadurch
konserviert wurde, dass der Umgang mit Ekel in der Ausbildung kaum
je thematisiert wird, wodurch es auch an der nötigen
Selbsterfahrung der Therapeuten fehlt. Es gibt dem Thema gegenüber
in den Behandlungen oft spontane Abwehrreaktionen, und die
Patienten »arbeiten« dem entgegen, denn sie sind fest davon
überzeugt, dass das Ekelthema zur Beendigung der Therapie führen
könnte, weil der Therapeut die massiven Reaktionen auf widerwärtige
Erlebnisse nicht aushält.
(...)