Rezension zu Psychodynamische Psychiatrie

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Rezension von Nina Schulze

Das Buch »Psychodynamische Psychiatrie« soll als Lehrbuch sowohl dem Laien als auch dem Sachkundigen die moderne Psychiatrie psychoanalytischer Ausrichtung nahebringen. Mit »nur« rund 700 Seiten und dem 150 x 230 Format ist das Buch tatsächlich relativ handlich, kann bequem in der Tasche mitgenommen und auf dem Weg gelesen werden. Das Buch stammt aus dem amerikanischen Raum und folgt somit dem diagnostischen System DSM-IV.

Inhaltlich gliedert sich das Buch in drei Teile. Der erste Teil behandelt »grundlegende Prinzipien und Behandlungsansätze in der dynamischen Psychiatrie«. Hier gibt es also die theoretischen Grundlagen zu Bewusstem und Unbewusstem, Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand und Objektbeziehungstheorie. Zudem geht der Autor auf Unterschiede von Einzel- und Gruppentherapie ein, zeigt Besonderheiten vom ambulanten vs. stationären Setting auf und beschreibt auch psychodynamische Therapie in Systemen, also Familien- und Ehetherapien.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit Störungen der Achse-I, der dritte Teil des Buches beinhaltet Achse-II-Störungen. In diesen beiden Teilen wird spezifisch auf einzelne Störungsbilder eingegangen und deren Behandlung anhand psychodynamischer Grundsätze erläutert.

Insgesamt liest sich das Buch sehr angenehm. Es ist leicht verständlich, behält jedoch auch ein gewisses Niveau bei, sodass es ganz ohne Studium sicherlich nicht nachvollziehbar wäre. Aber auch als »Fachrichtungsfremdling« kann man dem Inhalt gut folgen. Der Autor bemüht sich um eine umfassende Darstellung der Thematik und veranschaulicht die Inhalte durch verschiedene Abbildungen. Leider sind diese häufig zu klein, um wirklich gut erkennbar zu sein. Weiterhin bereichern viele Fallbeispiele den Text und geben somit ganz alltagspraktische Tipps und Anregungen für die Therapie. Ich habe mir das Buch zugelegt, um einen Einblick in die Denk- und Arbeitsweise eines Psychodynamikers zu erhalten, und komme hier voll auf meine Kosten.

Der Autor erörtert seine Ansätze anhand aktueller Forschungsergebnisse, die er teilweise äußerst kritisch kommentiert. Hier gehen die Meinungen sicherlich auseinander, und Fans evidenzbasierter Therapie werden sicherlich das eine oder andere Mal von der Meinung des Autors abweichen. Hinzu kommt, dass der Autor aus dem amerikanischen Raum stammt und der Grundtenor des Buches seiner Kultur angepasst ist und die Übertragung auf den europäischen Raum kritisch zu sehen ist. So ist vor allem der Umgang mit Psychopharmaka ein anderer als der, den ich bisher im Klinikalltag gewohnt bin. Auch ist die Sprache, in der über die Patienten berichtet wird, stellenweise extrem wertend und wenig wohlwollend. Speziell der Abschnitt über sexuelle Dysfunktionen sei hier genannt.

Insgesamt ist das Buch sehr umfassend und gut recherchiert. Lästig sind die Literaturangaben hinter jedem einzelnen Kapitel, die die Orientierung innerhalb des Buches erschweren, und häufig werden die gleichen Quellen auch doppelt und dreifach genannt. Sehr angenehm sind die Tabellen mit den DSM-IV Kriterien für das jeweilige Störungsbild, sodass das Buch auch als schnelles Nachschlagewerk geeignet ist. Für Verhaltenstherapeuten wie mich, die einen Überblick über psychoanalytische Therapie erhalten möchten, ist das Buch gut zum Einstieg geeignet, da es leicht verständlich und kompakt, wenn auch stellenweise fremdartig und sicherlich zu Kritik anregend.

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