Rezension zu Psychodynamische Psychiatrie
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Rezension von Tina Schmutterer
Mit dem vorliegenden Werk »Psychodynamische Psychatrie« ist dem
renommierten amerikanischen Psychiater Glen O. Gabbard ein mit 730
Seiten äußerst umfangreiches und damit ausführliches Lehrbuch
gelungen, welches sowohl für Praktizierende als auch für Studenten
gleichermaßen geeignet ist.
Der Autor ist Professor im Fachbereich Psychiatrie und
Verhaltensforschung sowie Direktor der psychiatrischen Klinik am
Baylor-College für Medizin in Houston, Texas. Darüber hinaus ist er
Lehranalytiker am psychoanalytischen Institut Houston/Galveston und
Preisträger des Adolf-Meyer-Awards im Jahr 2004. Bereits diese
grobe Darstellung seines Werdegangs lässt auf eine langjährige
klinische Erfahrung schließen, die es ihm ermöglicht für die
nunmehr vierte überarbeitete Auflage des Buches obsolete
Erklärungsmodelle als solche zu erkennen und durch neueste
wissenschaftliche Erkenntnisse, das heißt Forschungsergebnisse der
Neurobiologie zur Entwicklung des Gehirns und Erkenntnisse zu
Auswirkungen der Umgebung auf die Genexpression, welche nach
heutigem Stand im wissenschaftlichen Kontext unabdingbar geworden
sind, zu ersetzen.
Nach dem Vorwort zur deutschen Ausgabe und der darin enthaltenen
kurzen Erläuterung zur historischen Entwicklung der Verfügbarkeit
von psychoanalytischen Inhalten in Deutschland und dem darauf
folgenden Vorwort des Autors, gliedert sich das Buch in drei
Teile.
In Teil I werden grundlegende Prinzipien und Behandlungsansätze
dargestellt, namentlich grundlegende Prinzipien der dynamischen
Psychiatrie, theoretische Grundlagen der dynamischen Psychiatrie,
psychodynamische Beurteilungen des Patienten, der Behandlung in der
psychodynamischen Psychiatrie; insbesondere der Gruppen-,
Familien-, Ehe- und Pharmakotherapie.
Sodann folgen Psychodynamische Ansätze bei Achse-I- &
Achse-II-Störungen. Erstere beschäftigt sich mit Schizophrenie,
affektiven Störungen, Angststörungen, dissoziativen Störungen,
Paraphilien und sexuellen Dysfunktionen, Drogenmissbrauch und
Essstörungen, sowie Demenz und anderen kognitiven Störungen.
Letztere hingegen mit Cluster-A-Persönlichkeitsstörungen wie
paranoide, schizoide und schizotypische Persönlichkeitsstörung,
Cluster-B-Persönlichkeitsstörung wie Borderline, narzisstischer,
dissozialer, hysterischer und histrionische
Persönlichkeitsstörungen sowie Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen
wie obsessiv-zwanghafter, ängstlich- vermeidender und dependenter
Persönlichkeitsstörung.
Für eine willkommene Auflockerung sorgen dabei die teils eingangs
zu den Kapiteln angeführten Zitate bekannter Persönlichkeiten, die
den jeweiligen Neurosen, psychosomatischen Erkrankungen und
Charakterstörungen Ausdruck verleihen, beispielsweise das Zitat im
Kapitel Angststörungen: »Gewöhnlich beunruhigt die Menschen das,
was sie nicht sehen können, mehr als das, was sie sehen« Julius
Cäsar.
Es kristallisiert sich heraus, dass die Psychoanalyse stärker als
früher in Konkurrenz zu benachbarten Psychotherapieverfahren und
der biologischen Psychotherapie samt der Neuropsychologie tritt.
Zur Veranschaulichung dienen Abbildungen entsprechender
Gehirnareale. Um Krankheitsbilder zu verdeutlichen und geeignete
Therapieansätze mithilfe der Praxis zu begründen, werden vereinzelt
Beispiele aus der klinischen Therapie geschildert. Dabei werden den
Praktikern auch Hinweise bezüglich etwaiger
Gegenübertragungsreaktion gegeben und wie sich diese vermeiden
lassen. Um die historische Entwicklung beispielsweise
psychodynamischer Modelle der Depression nachzuvollziehen, werden
entsprechende Tabellen dargeboten.
Insbesondere für Praktiker relevant sind die den allgemeinen
Standards der Psychiatrie und Medizin entsprechenden Angaben zur
Dosierung, Verabreichung und Anwendung von Medikamenten im Falle
einer Kombination aus Pharmakotherapie und Psychotherapie sowie
Hinweise zur geeigneten Anzahl von Therapiesitzungen und ob diese
als Einzel- oder Gruppentherapie oder als Kombination beider zu
empfehlen sind.
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