Rezension zu School-Shooting
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Rezension von Melanie Verhovnik
Ratlosigkeit und Entsetzen, eine schockierte Öffentlichkeit und die
Frage nach dem »Warum« – die Reaktionen nach einem Schul-Amoklauf,
in der wissenschaftlichen Literatur überwiegend als School Shooting
bezeichnet, sind immer gleich. Während die mediale Diskussion nach
dem Erfurter School-Shooting von 2002 zum großen Teil noch
monokausal geführt wurde (u.a. »Ego-Shooter« als Auslöser),
beschäftigen sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen schon
lange – und verstärkt seit »Columbine«, dem amerikanischen
School-Shooting in Littleton, Colorado (1999) –, mit diesem
Phänomen.
Die Arbeit von Benjamin Faust fügt sich in diesen
wissenschaftlichen, multikausal geführten Diskurs gut ein und zeigt
in seiner Gesamtheit auch neue Perspektiven auf. Der Autor legt den
Fokus auf eine soziologische und psychologische Betrachtung des
Phänomens »School-Shooting« und trägt in den drei zentralen
Kapiteln nicht nur die wichtigsten Fakten zu Tätern, Tatort und
Umfeld zusammen, sondern stellt auch nachvollziehbar dar, welche
Konsequenzen sich daraus ergeben. School-Shooter leiden nicht, wie
er zusammenfasst, »an einem Mangel an Orientierung (...), sondern
an einem Mangel an Anerkennung. (...) Ihr Handeln ist im höchsten
Maße sinnvoll und wäre ohne eine Gesellschaft, die diesem Handeln
Sinn verleiht, nicht denkbar« (S. 144).
Das Buch ist logisch aufgebaut und macht es auch dem interessierten
Laien einfach, einen Überblick über die Thematik zu erhalten. Einem
kurzen Abriss zur historischen Bedeutung von »Amok« folgt ein knapp
ausgefallener Überblick über die Studien Adlers (2000) und Lübberts
(2002), der in einer Diskussion über die Begrifflichkeiten mündet.
Benjamin Faust grenzt sich hierbei von Robertz (2004) ab, der die
Problematik des Amok-Begriffs in Bezug auf das Phänomen »School
Shooting« ausführlich diskutiert hat: »Es bleibt festzuhalten, dass
die Verwendung des Begriffes Amok in Bezug auf das Thema dieser
Arbeit keineswegs so abwegig ist, wie es Robertz (2004, S. 19)
unterstellt.« (S. 24). Ob man dem Autor dahingehend folgen möchte,
ist fraglich – gerade die Verwendung des Amok-Begriffs in der
medialen Berichterstattung hat wohl dazu geführt, dass die Täter in
der Öffentlichkeit als »wahnsinnige Killer«, die in »blinder Wut«
töten, wahrgenommen werden – eine Annahme, die Faust ja gerade
selbst negiert (S. 144).
Die darauffolgenden Ausführungen – School-Shootings aus
soziologischer und psychologischer Perspektive – tragen wiederum
erheblich zum Begreifen solcher Taten bei. Auf verständliche Art
und Weise erörtert Benjamin Faust einen Faktorenkatalog, der auf
den Themenfeldern »Schule und Schulenhass» (Schule und Mitschüler,
kleinstädtisches Phänomen), »Kulturelles Umfeld« (Medien und
fiktionale Gewalt, Nachahmung, Waffen, Männlichkeit) und
»Psychologische Perspektive« (Narzissmus, Idealerfüllung,
Selbstwert) beruht.
In seinem Schlusskapitel »School-Shootings – Die Schattenseite der
Gesellschaft« legt Benjamin Faust noch einmal dar, welche Ursachen
seiner Meinung nach solche Ereignisse bedingen. School-Shootings
gründen demnach »[...] in einer weitgehenden sozialen Exklusion der
Täter, aus der sie sich über ihren Amoklauf gewaltsam zu befreien
suchen« (S. 141). Auch wenn Ziel der Arbeit nicht ist,
Möglichkeiten der Amok-Prävention aufzuzeigen, so bietet sie doch
das Potential dazu – insbesondere für all diejenigen, die täglich
mit Jugendlichen zu tun haben bzw. mit ihnen arbeiten – Eltern,
Lehrer und Sozialarbeiter.
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