Rezension zu Film und Psychoanalyse
Psychologie in Österreich 5/2009
Rezension von Elisabeth Prochaszka
Die Psychoanalyse beschäftigt sich seit ca. 15 Jahren immer mehr
auch mit Filmen. Der Filmproduzent und Regisseur Nico Hofmann
beschreibt das im Vorwort mit folgenden Worten: Filme werden als
kulturelle Oberflächenphänomene verstanden, von denen aus mit Hilfe
der Psychoanalyse Zugänge zu unserem soziokulturellen Vor und
Unbewußten gesucht werden.
Ich bin mir nicht im Klaren, ob das vorliegende Buch ein Fachbuch
für Psychologie oder für Film ist. Auf jeden Fall ist es sehr
hilfreich, ein großer Filmfan zu sein. Man darf sich nicht von der
Einleitung des Herausgebers Schneider abschrecken lassen, denn
darin braucht man als Leser große Vorkenntnisse in der
Psychoanalyse, die jedoch beim weiteren Lesen nicht erforderlich
sind. Schneider war für mich der Einzige der 10 Autoren, bei dem
ich durch die angewandte Fachsprache beim Lesen seines Artikels
Schwierigkeiten hatte. Alle anderen versuchten, Fachausdrücke zu
erklären oder möglichst wenige zu verwenden.
Die Herausgeber haben die Autoren gebeten, auf Grundlage der
kulturpsychoanalytischen Perspektive, Filme der letzten 15 Jahre
psychoanalytisch vorzustellen. Die Auswahl der Filme war ihnen
freigestellt, trotzdem ergaben sich bestimmte Themenkomplexe: Es
geht um grundsätzliche Lebensthemen wie die eigene Herkunft, die
Suche nach Identität, die konflikthaften Wirrungen der Adoleszenz,
die soziale Stellung in der Gesellschaft bis zur Auseinandersetzung
mit dem Tod. Die ausgewählten Filme wurden in der Reihenfolge ihres
Erscheinungsjahrs (1995-2006) angeordnet.
Jedes Kapitel ist in sich geschlossen und von einem anderen Autor.
Es beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung des Artikels, danach
kommt die Handlung des Films, meistens ein historischer Überblick
über den Hintergrund und danach die Analyse. Das Kapitel schließt
jeweils mit einer Literaturliste.
Bei manchen Filmen reicht es, den Artikel zu lesen und man kennt
sich auch im nicht gesehenen Film aus (z.B. Der Geschmack der
Kirsche). Bei anderen ist es hilfreich, den Film gesehen zu haben,
da ansonsten trotz Inhaltsangabe nur schwer nachzuvollziehen ist,
worum es genau geht (z.B. Mulholland Drive).
Isolde Böhme hat es in ihrem Beitrag geschafft, mir große Lust auf
den Film zu machen. Ich kannte »Der Geschmack der Kirsche« nicht
und hatte nach ihrem Artikel das Gefühl, ihn zu kennen. Sie
schreibt in einer Sprache, die allgemein verständlich ist, da sie
alles erklärt und außerdem für nicht so große Anhänger der
Psychoanalyse, diese nicht als gegeben hinstellt, sondern betont,
das sie es so sieht und empfindet.
Der Großteil der Beiträge lässt sich sehr flüssig lesen und macht
neugierig auf mehr zu diesem Thema. Jedoch hätte ich mir manchmal
gewünscht, bereits andere Literatur dazu zu kennen und dieses Buch
als Folgeliteratur oder zur Vertiefung von Film und Psychoanalyse
kennen zu lernen.
Es gibt auch Artikel, wie der zu »Lola rennt«, in denen für meinen
Geschmack zu viel analysiert wird. Der Autor Schneider spricht
immer vom Vergnügen bei »Lola rennt«, mir fehlte es beim Lesen
seines Beitrags.
Zusammenfassend möchte ich sagen, man sieht nach diesem Buch Filme
mit anderen Augen an, achtet unter Umständen auf Dinge, die man
davor gar nicht wahrgenommen hätte. Also doch ein Fachbuch für
Filmliebhaber, die ja durchaus auch Psychologen sein können.