Rezension zu Von allen guten Geistern verlassen?
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Rezension von Martina Rehan
Bernd Ahrbeck lässt in seinem Buch verschiedene deutsche und
französische psychologische Fachkräfte zu Wort kommen, die aus ganz
unterschiedlichen theoretischen und praktischen Perspektiven ihre
Sicht auf das Phänomen der besonderen Aggressivität in der
Adoleszenz werfen. Hierbei wird sowohl aus soziologischer, als auch
aus psychologischer und psychoanalytischer Sicht argumentiert.
Durch viele konkrete Fallgeschichten wird die Theorie
verdeutlicht.
So geht Bernd Ahrbeck in der Einführung konkret der Frage nach,
warum dieses Phänomen in der psychoanalytischen Theoriebildung so
wenig behandelt wird.
Florian Houssier versteht Transgressionsakte als ein notwendiger
Bestandteil der adoleszenten Entwicklung. Annette Streeck-Fischer
skizziert kurz psychoanalytische Gewalttheorien und analysiert dann
destruktive Verhaltensweisen unterschiedlicher Tätertypen. Francois
Marty geht davon aus, dass die Gewalt in der Adoleszenz auf Angst
beruht, die durch gewaltsame, als traumatisierend erlebte innere
Veränderungen hervorgerufen wird. Vera King beschäftigt sich mit
dem geschlechtsspezifisch ausgeprägten Risikoverhalten junger
Männer, die oft als Gruppenhandlung in Erscheinung tritt. Oliver
Ouvry sieht in der Verbindung von Gewalt und Adoleszenz eine
historische Konstante und beschreibt in einer historischen Analyse
verschiedene Sichtweisen der Adoleszenz seit dem Ende des 18.
Jahrhunderts. Didier Lauru geht der grundlegenden Frage nach,
welche Rolle der Hass im menschlichen Leben spielt.
Anne Tassel geht von einer auffälligen Fantasieschwäche schwieriger
Adoleszenten aus.
Wolfgang Bergmann setzt sich mit frühen Entwicklungsprozessen
auseinander, die den Eintritt in die Adoleszenz erschweren. Martin
Feuling zeigt in einer Fallgeschichte, wie Ideale in der Kindheit
entstehen und wie sie in der Adoleszenz sich entwickeln können und
worin Gefahren des Scheiterns bestehen. Faroudja Hocini untersucht
das Phänomen der paranoischen Projektionen in der Adoleszenz anhand
einer klinischen Falldarstellung.
Achim Perner schließlich betont, dass die spezielle psychische
Verfasstheit von Kindern und Jugendlichen, ihre
Zukunftsorientierung, stärker beachtet werden müsse. Auch hier
folgt eine detaillierte Fallbeschreibung.
Die hier nur kurz inhaltlich skizzierten Themen dieses Buches
veranschaulichen die unglaubliche Breite der behandelten
Sichtweisen, der Theorien und auch der praktischen Umsetzung. Dem
Herausgeber ist es gelungen, das Thema inhaltlich sehr weit zu
öffnen, verschiedene Gesichtspunkte, Theorien nebeneinander zu
stellen und so dieses so durchaus wichtige und derzeit hoch
brisante Thema aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu
beleuchten.
Dieses Buch erscheint mir sowohl für Fachleute als auch für noch in
der Ausbildung sich befindende Studenten, aber auch für jene
besonders geeignet, die sich tagtäglich praktisch im Umfeld von
Adoleszenten bewegen. Es vermittelt viel Hintergrundwissen, viele
Anregungen und Denkanstöße, die hoffentlich zu einer weiteren
Auseinandersetzung und einer fruchtbaren Diskussion führen, die
letztendlich zum Ziel hat, den Adoleszenten in seiner Spezifik mehr
und mehr anzuerkennen und zu begreifen.
Dieses Buch ist ein erster, wirklich gelungener Schritt.
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