Rezension zu Ekel als Folge traumatischer Erfahrungen
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Rezension von Tina Schmutterer
Das Buch, mit etwas karg und stereotyp anmutenden Layout,
beinhaltet unter sechs Rubriken zusammengefasste Beiträge, die sich
mit psychodynamischen Grundlagen sowie Studien,
psychotherapeutischen Settings und Fallbeispielen beschäftigen und
während eines weltweit ersten Symposiums zum Thema Ekel, mit
Unterstützung des Psychotrauma- Zentrums und des Trauma- Instituts
Leipzig, von Fachwissenschaftlern sowie Praktikern vorgetragen
worden.
Eingangs werden im Rahmen von fünf Beiträgen zunächst die
Grundlagen und Übersichten zur Bedeutung des Ekelgefühls in
verschiedenen Feldern von Psychotherapie und Gesellschaft
behandelt. Darauf folgen sechs Beiträge unter der Rubrik
»Therapiekonzepte, Behandlungsmethoden und Fallberichte zum
professionellen Umgang mit Ekelgefühlen«. Daran anknüpfend werden
zwei ausgewählte Problemfälle der Behandlung von Ekelgefühlen in
der psychotraumatisch- analytischen Praxis dargestellt. Letzten
Endes wird im Zuge einer Pilotstudie das Erleben von Ekel bei
komplextraumatisierten/ dissoziativen Patienten in der ambulanten
Praxis als spezielles Forschungsbeispiel zum Ekelgefühl beschrieben
bevor das Buch anhand dreier Beiträge über spezielle
Vorgehensweisen zur Prävention, körperpsychotherapeutischen
Annäherung und stufenweisen Kompensation von Ekelgefühlen und
Selbstberichten von Klienten im Kontext Ekel, Scham und
Aggressionsbewältigung schließt.
Die Gliederung ist meines Erachtens sinnvoll und übersichtlich
gewählt. Leider beginnt fast ausschließlich jeder der Beiträge mit
einer Einführung zum »Primäraffekt« oder »Grundgefühl« Ekel. Derart
wird der Leser mit diesem einführende Wissen ständig aufs Neue
konfrontiert, was aber aufgrund der Beitragsform für das Symposium
scheinbar unvermeidbar war. Nach diesen Ausführungen entsteht das
Ekelgefühl etwa im Alter von drei Jahren und äußert sich
überwiegend in körperlichen Reaktionen oder sog. somatischen
Markern wie Naserümpfen, leichtem Schütteln, Übelkeit, sinkendem
Blutdruck bis hin zu Ohnmacht.
Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Ekel ist natürlich
Freud unabkömmlich, der sich mit der Frage auseinandergesetzt hat,
wie Ekel in der Stammesgeschichte des Menschen entstanden ist. Nach
seinen Hypothesen war der aufrechte Gang ein entscheidender Schritt
durch den der tierische Regelkreis von Geruch, Exkretion und
Sexualität durchbrochen und die nun sichtbaren Sexualorgane
sichtbar und damit anstößig wurden.
Inhaltlich fundiert wird der Stoff mithilfe von dargebotenen
Tabellen, Statistiken und sogar nachgestellten Szenen in Form von
Abbildungen der Therapieszenen belegt, wobei die Bedeutung der
verwendeten Parameter für einen Laien teilweise unzugänglich oder
aber schwer verständlich sind. Um also auch die gestalterischen
Objekte und die darin enthaltenen Begriffe wie »Items/ Cronbach
alpha« oder »Durchlässigkeit/ soziale Resonanz« im Rahmen des sog.
Gießen- Tests sowie Abkürzungen »MW+SD und MW/n« etc. mit in seinen
Lesefluss einbeziehen und damit würdigen zu können, sollte der
Leser erwartungsgemäß oder optimalerweise vom Fach sein. Im
Materialanhang zur eingangs erwähnten Pilotstudie wird ein, auch
dem (Laien-) Leser verständlicher, Pilotekelfragebogen (PEFB)
abgedruckt, was ich hinsichtlich der dadurch möglichen Transparenz
bezüglich der Forschungsergebnisse als sehr begrüßenswert empfinde.
Der Leser bekommt somit einen informativen »Einblick hinter die
Kulissen«.
Das am Ende behandelte Interventionstraining für werdende Eltern
und den Umgang mit Ekelgefühlen während der Schwangerschaft, Geburt
und dem ersten Lebensjahr erscheint auf den ersten Blick etwas
unpassend. Bei genauerer Betrachtung wird einem aber die Bedeutung
des dahinter stehenden Nutzens bewusst, der darauf abzielt eine
sichere Grundbindung im Eltern- Kind Verhältnis zu erreichen und
damit eine gute emotionale Entwicklung in allen Lebensbereichen.
Wichtig ist hierbei, dass eine gesunde Entwicklung von Körperstolz
ohne Scham und Ekel einsetzt, wofür adäquate Ekelreaktionen der
Eltern unabdingbar sind.
Trotz der oben kritisierten etwaigen inhaltlichen Überschneidungen,
insbesondere in den Einleitungen, handelt es sich beim vorliegenden
Werk um ein sehr gelungenes, gut leserliches Exemplar, welches, auf
einem bisher kaum erforschten Gebiet, durch seine vielfältigen
Beiträge sowohl von Praktikern als auch Wissenschaftlern
besticht.
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