Rezension zu »Ich sehe was, was du nicht siehst« (PDF-E-Book)
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Rezension von Anja Putensen
Mit dem Buch »Ich sehe was, was du nicht siehst« hat Theo Piegler
jetzt seinen zweiten Band mit psychoanalytischen Filmanalysen
herausgegeben, dieser ist Folgeband von »Mit Freud im Kino«. In der
Lehre und in eigener Praxis tätige und erfahrene Psychoanalytiker
und Psychotherapeuten haben es sich zur Aufgabe gemacht, Filme mit
Hilfe von Objektbeziehungstheorie, Bindungstheorie, Triebtheorie
und anderen psychoanalytischen Blickrichtungen zu verstehen. Dies
fand in Abendveranstaltungen der Akademie für Psychotherapie,
Psychosomatik und Psychoanalyse Hamburg (APH) statt. Vierzehn
Filme, darunter z.B. »Das Fenster zum Hof« (Hitchcock),
»Terminator« und »Titanic« (Cameron), »Billy Elliot – I will dance«
(Daldry), »Der Herr der Ringe« (Jackson) und »Das Parfum« (Tykwer)
wurden mit ihrer Handlung kurz vorgestellt und dann im Hinblick auf
Konflikte, Motive, Entwicklungen, Emotionen und Erfahrungen der
Filmcharaktere untersucht. Bezüge wurden manchmal zur Biografie von
Autoren und Regisseuren hergestellt. Dabei ermöglicht der
psychoanalytische Blick spezielle Perspektiven – die hier
vorgestellte Art des Filmeschauens kann dann auch auf andere Filme
übertragen werden. Filme können durch Lesen dieses Buches noch
einmal neu gesehen werden; ist ein vorgestellter Film noch nicht
gesehen worden, bietet dieser Band Impulse zur Entscheidung, ob ein
Film evtl. noch sehenswert ist oder nicht – also nicht nur ein Buch
für Cineasten.
Betont wird v.a. im Einleitungstext von Theo Piegler die
Wirkmächtigkeit des Filmeschauens. So werden physiologische und
psychische Prozesse beim Betrachter in Gang gesetzt – der
vorgeführte Film und das seelische Erleben des Zuschauers sind
dabei in einem Regelkreis miteinander verknüpft. Sowohl
individuelle Situationen als auch gesamtgesellschaftliche Prozesse
werden angesprochen und steigern somit das Interesse des
Betrachters, was von der Filmindustrie auch z.T. bewusst bedient
wird. Entscheidender Punkt ist, dass sich der Betrachter mit seinen
äußeren und inneren Konflikten, seinen Projektionen und
Identifikationen gespiegelt sehen kann und auf diese Weise selbst
an sich arbeiten kann. Dabei kann die regressionsfördernde
Situation im Kino eine psychische Entwicklung begünstigen z.B.
durch intensives Miterleben, durch das Ausleben aggressiver Seiten
und durch die Auseinandersetzung mit Sehnsüchten und Wünschen. Das
hier beschriebene Buch kann dabei Anregung und Anleitung dazu
bieten, sich im therapeutischen Setting mit Filmfiguren auseinander
zu setzen, die vom Klienten stark besetzt sind. Selbstverständlich
geben geliebte und gehasste Filmfiguren auf geschützter Ebene
Auskunft über eigene Gefühle, Faszinationen und Ablehnungen – also
über sich selbst. Mit diesen zu arbeiten birgt ein großes
Potenzial.
Meines Erachtens ist es sehr schwierig, die Komplexität von Filmen
in kurzen Aufsätzen zu erfassen. So wurde das Betrachten einzelner
Bildsequenzen, der Bildaufbau, die Farben, Formen und Klänge
zugunsten von Theorienfindungen zurückgestellt. Zu wenig getrennt
dargestellt waren die Ebenen fiktive Filmfigur, Identifikationen
des Regisseurs, Drehbuchautor und literarischer Figur – vielmehr
wurde bei den Filmfiguren von stimmigen Charakteren
ausgegangen.
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