Rezension zu Anders helfen
Einfälle. Die Zeitschrift des Deutschen Epilepsievereinigung e.V. Nr. 107, 3. Quartal 2008
Rezension von Beatrix Romm
»Die Gruppe kann mehr als der einzelne«
Ein engagiertes Plädoyer für die Arbeit mit Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen gibt es heute zu allen möglichen Themen und
Problemen. Von den Anonymen Alkoholikern bis zu den Weight Watchers
ist es ebenso wie für die Betroffenen chronischer Erkrankungen
selbstverständlich, sich in Selbsthilfegruppen zu organisieren, um
gemeinsam die eigenen Probleme zu lösen. Für fast alles kann man
Gleichgesinnte treffen, wichtig ist dabei vor allem: Dass einem
jemand zuhört, dass man sich in der Gruppe angenommen und wohl
fühlt und dass es einem weiterhilft.
Um die Qualität der Gruppenarbeit zu verbessern, sollten jedoch
Fachleute stärker mit den Betroffenen zusammenarbeiten, so der
Ansatz des Psychoanalytikers und Professors für seelische
Gesundheit Michael Lukas Moeller. Unter dem Titel »Anders helfen«
begründet er in seinem Buch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit
von Selbsthilfegruppen und professionellen Beratern und
Therapeuten. Er richtet sich dabei in erster Linie an Fachleute, um
sie zur Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen zu motivieren.
Auch für Laien ist es interessant nachzulesen, wie die Arbeit der
Selbsthilfegruppen funktioniert, welche Vorteile die Mitarbeit in
einer Selbsthilfegruppe bietet und wie Heilungsprozesse und
Problemlösungen durch die gegenseitige menschliche Zuwendung
positiv beeinflusst werden. Die Bedeutung der selbst organisierten
Gesprächsgruppen liegt nach Meinung des Autors vor allem darin,
dass die bei der professionellen Betreuung vernachlässigte
seelische und psychosoziale Dimension der Erkrankungen mit
berücksichtigt und in den Vordergrund gestellt wird, was sich
besonders positiv im Bereich der Vorsorge auswirkt: »Nach neuesten
sozialmedizinischen Untersuchungen sind die am stärksten
zunehmenden Todesursachen bei uns Erkrankungen, die psychosozial,
das heißt durch die Auswirkung jahrzehntelangen Fehlverhaltens und
chronischer Belastungssituationen, bedingt sind. Unbestritten ist,
dass Selbsthilfegruppen durch Konfliktbearbeitung,
Wahrnehmungsschärfung, Verhaltensänderung und Situationsgestaltung
bei den Ursachen ansetzen und vorbeugend wirken können.« (Zitat aus
»Anders helfen«, S. 10)
Mit dem Buch sollen Angehörige der sozialen Berufe und die
jeweiligen Betroffenen angesprochen werden. Anhand von Beispielen
gelungener oder auch nicht geglückter Gruppenarbeit werden die
Chancen, aber auch die Grenzen der Selbsthilfe aufgezeigt. Dadurch
wird deutlich, dass die Mitarbeit der Fachleute beide Seiten
bereichern kann.
Ein Ziel des Buches ist es, die besten inneren und äußeren
Bedingungen für die Entwicklung eigenständiger Gesprächsgruppen
auszuloten.
Für alle Nichtfachleute ist das Buch allerdings nur eingeschränkt
geeignet, sind die dargelegten Gruppenprozesse doch zu detailliert
und mit zuviel professionellem Anspruch analysiert und geschildert,
um auch für Laien von Interesse zu sein. Für Profis allerdings ist
es ein engagiertes Plädoyer dafür, neue Wege zu suchen, um gegen
die »Hilflosigkeit der Helfer« anzugehen.