Rezension zu Tabuzonen der Frauen- und Männergesundheit
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Rezension von Ann-Katrin Ehret
Das Buch »Tabuzonen der Frauen- und Männergesundheit« beinhaltet 11
Kapitel, in denen jeweils eine Tabudomäne eines insgesamt sehr
breit angelegten Themenspektrums von unterschiedlichen Autoren
behandelt wird. Diese elf – jeweils ca. 15-30 Seiten langen –
Beiträge werden von den Herausgebern in drei übergeordnete
Tabubereiche gegliedert: I. Tabubereich: Körperbild und
Körperfunktionen bei Frauen und Männern, II. Tabus bei der
Sexualität und III. Tabubereich: Emotion und Verhalten.
Wie auch der Untertitel des Buches verspricht, wird hier Gesundheit
nicht vorrangig als eindimensionales physisches Konstrukt
verstanden, sondern es stehen vor allem die psychosozialen Aspekte
der unterschiedlichen Tabuthemen im Vordergrund der Beiträge.
Entsprechend der unterschiedlichen Autorenschaft ist nicht jedes
Kapitel exakt gleich aufgebaut, gleichwohl lässt sich über alle
Kapitel hinweg eine grobe Struktur der Gestaltung der einzelnen
Beiträge erkennen.
So findet sich meist nebst einem kurzen geschichtlichen Abriss, am
Anfang eines Kapitels ein kurzer Überblick über den bisherigen
Forschungsstand des jeweiligen Themenbereichs. So erfährt man
beispielsweise direkt im ersten Kapitel zum Thema »Piercing und
Tattoo«, dass bereits »die über 5.000 Jahre alte Gletschermumie
›Ötzi‹ (...) über 15 geometrische Tätowierungen« trägt, jedoch der
bisherige Forschungsstand in diesem Bereich »der gegenwärtigen und
vor allem der perspektivischen Bedeutung des Themas nicht gerecht
werden«.
Im Weiteren folgen deskriptive Beschreibungen der jeweiligen
Prävalenzen sowie – sofern vorhanden- eine Übersicht gemäß ICD bzw.
DSM. So liest man im Kapitel »Männer als Opfer von Gewalt – ein
Tabuthema?«, dass nach Wetzels (1997) »18 Prozent der Frauen und 8
Prozent der Männer von sexuellem Missbrauch in der Kindheit«
berichten, wobei »Täter in bis zu 95 Prozent aller berichteten
Fälle Männer« waren. An dieser Stelle wird aber auch gleichzeitig
darauf hingewiesen, »dass sich diese retrospektiven« Studien
schwierig gestalten, da besonders Männer dazu neigen nicht über
etwaig erfahrene Gewalterfahrungen zu sprechen.
Zudem gibt es je nach Thema eine weitere differenzierte Betrachtung
von einzelnen Unterkategorien. So wird zum Beispiel das Kapitel
»Verhaltenssucht bei Frauen« nochmals in »Glücksspielsucht«,
»Kaufsucht« sowie »Internet- und Computersucht« unterteilt oder man
erfährt im terminologischen Exkurs des Kapitels über die »Störungen
der sexuellen Funktion« warum der Ausdruck »ejaculatio preacox« aus
Sicht der Autoren gar eine falsche Begrifflichkeit für die gemeinte
Störung ist.
Im Folgenden werden dann in einigen Kapiteln exemplarische Studien
bzw. Untersuchungen des entsprechenden Gebietes aufgezeigt. Hier
war ich als Psychologiestudentin v.a. von der Darstellung der
methodischen Aspekte begeistert, denn hier werden methodische
Sachverhalte verständlich und anschaulich dargestellt ohne jedoch
zu übersimplifizieren. Dass an der einen oder anderen Stelle manche
Methoden auch noch kritisch beleuchtet werden stellt für mich ein
weiteres großes Plus dieses Buches dar.
Vor allem durch den einleitenden Forschungsüberblick bzw. dem jeden
Kapitel einzeln folgenden Literaturverzeichnis findet man als
interessierter Leser viele Möglichkeiten und Hinweise sich weiter
in einen Themenbereich vertiefen zu können.
Insgesamt ein Buch, das zweifelsohne viele Tabuzonen näher
betrachtet als bisher geschehen, jedoch geschieht diese
»Enttabuisieren« ohne jegliche voyeuristischen Tendenzen, die man
eventuell bei solche doch manchmal heiklen Themen erwarten
können.
Fazit: Lediglich, wenn man bereits vertiefte Kenntnisse in die
breite Themenvielfalt, die dieses Buch birgt, besitzt, bringt einem
dieses Buch nicht viel Neues, allen anderen Interessierten kann ich
dieses Buch vor allem als Einstieg in den Themenbereich nur sehr
empfehlen! Informativ, spannend und dabei wissenschaftlich,
verständlich, was will man mehr?
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