Rezension zu Fritz Morgenthaler
Der Bund
Malen als kreative Erotik
Was für eine faszinierende Erscheinung, dieser
Fritz Morgenthaler, dem Hans-Jürgen Heinrichs in
der Broschur-Reihe »Imago« des Psychosozial-Verlags Gießen unter
dem Titel »Fritz Morgenthaler. Psychoanalytiker, Reisender, Maler,
Jongleur« eine locker gebaute Studie widmet! Wobei der Jongleur in
wunderbaren Fotos von Karl Geiser das ganze Buch hindurch präsent
ist. Denn Geiser war, wie so viele, wie selbst Hans-Jürgen Heise
auf seine Art, in den unerhört freien, alle Fixierungen und Tabus
weit von sich weisenden Mann verliebt, der zwischen Hetero- und
Homosexualität hin und her zappte und die Malerei, die seine
Leidenschaft war und die er sich in schwieriger Konkurrenz zu
seinem Vater erkämpfen musste, als »eine Form kreativer Erotik«
verstand.
1919 als Sohn von Sasha und Ernst Morgenthaler geboren, wurde er
Arzt, lernte in Jugoslawien Paul Parin kennen und führte mit ihm
und Goldy Parin-Matthèy am Zürcher Utoquai eine Gemeinschaftspraxis
als Psychiater und Analytiker, bis er 1984 in Äthiopien auf der
Suche nach einem Verschollenen an einem Herzinfarkt starb. Die
grosse Leistung Morgenthalers ist es, als Ethnopsychoanalytiker die
Psychoanalyse in den Dienst der Erschliessung fremder
Gesellschaften gestellt zu haben. Auf Reisen, die er auf
eigenwillig-packende Weise dokumentiert hat.
»Du kannst die Menschen nicht verändern, nur verführen«, lautete
sein Credo, und das zeigt sich insbesondere auch in den Briefen an
Hans-Jürgen Heinrichs, die dem Band in faksimilierter Form
beigegeben sind. »Oft stört mich alles, was ich in meinem Leben
nicht getan habe, gleichermassen wie alles, was ich getan habe«,
brachte Morgenthaler, der Ruhelose, der in alle Welt reiste, um
einen Sinn zu suchen, am 9. September 1975 die Verunsicherung über
sich selbst auf den Punkt. Und konnte nicht ahnen, dass seine
Erkenntnisse eines Tages so viel Interesse finden würden, dass 2005
in Zürich ein Kongress mit dem Titel «Faire travailler
Morgenthaler» durchgeführt werden konnte.