Rezension zu Beziehung und Bildung in der kindlichen Entwicklung
www.skg-forum.de
Rezension von Marianne Broglie
Wie kann kindliche Bildung unter den herrschenden
gesellschaftlichen Bedingungen gelingen? Diese Frage hat sich der
Darmstädter Professor Thilo Maria Naumann gestellt und auf 194
Seiten – sehr gut und mit vielen Fallbeispielen versehen –
beantwortet.
Er ist der Meinung, es handelt sich nicht um eine gelungene,
kindliche Entwicklung, wenn die Kinder »selbstständig« einem
»angemessenen« Verhalten folgen, sondern nur dann, wenn sie
widerspenstige Selbstbestimmung ebenso wie Bindungsfähigkeit und
Solidarität verwirklichen. Nicht die Ansammlung von Kompetenzen,
sondern die Fähigkeit zur Gestaltung der Welt im Sinne allgemeiner
und eigener Bedürfnisse ist das Ziel einer kindlichen Bildung.
Das bedeutet für die heute Erziehenden ein Umdenken und eine
kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Erziehungsstil. Der
»Förderwahn«, der heute in vielen Einrichtungen die Regel ist,
sollte durch eine gute Beziehungsarbeit mit dem Kind und der Gruppe
ersetzt werden. Für Kinder sollte ein angstfreies und
bedürfnisorientiertes Erforschen der Welt der Alltag in den
Kindertageseinrichtungen sein.
Dabei dürfen auch die Bedürfnisse der Erziehenden nicht außer Acht
gelassen werden. Der Druck auf die Einrichtungen steigt, die Kosten
sollen weiter gesenkt werden und die Arbeitsbelastung wächst. Hier
sind neue Wege gefragt. Die Ökonomisierung sollte einen kreativen,
lebendigen und dialogischen Alltag zulassen. Und viele Kitas sind
bemüht, diesen Weg trotz aller Widrigkeiten zu gehen.
Mithilfe der Psychoanalytischen Pädagogik können die Mitarbeiter in
den Kitas dafür sensibilisiert werden, das kindliche Verhalten
besser zu verstehen und auf Bedürfnisse angemessen zu
reagieren.
Für mich war ein Satz in dem Buch von besonderer Wichtigkeit:
»Entscheidend ist, mit den Kindern identifiziert zu bleiben, mit
ihrem Bedürfnis ebenso wie mit ihrer Wut, wenn dieses nicht
befriedigt werden kann, und vor allem mit ihren langfristigen
Entwicklungsbedürfnissen nach Bindung und Autonomie, die durch
situative Frustrationen nicht tangiert sein müssen. Auf diese Weise
bleibt der empathische Kontakt zu den Kindern erhalten...«
Fazit: Dieses empfehlenswerte Buch macht den Leser vertraut mit den
wichtigsten Erkenntnissen der Psychoanalytischen Pädagogik und
ihren möglichen Einsatz in der Kita.
www.skg-forum.de