Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Heidelberg-Mannheim und Heidelberger Institut für Tiefenpsychologie (Hg.)

Psychoanalyse im Widerspruch Nr. 51: Sexualitäten 2.0

Nr. 51, 2014, Heft 1

Cover Psychoanalyse im Widerspruch Nr. 51: Sexualitäten 2.0

EUR 19,90

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Zeitschrift: Psychoanalyse im Widerspruch (ISSN: 0941-5378)

Verlag: Psychosozial-Verlag

144 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm

Bestell-Nr.: 8132

Die »Psychoanalyse im Widerspruch« hat eine Denkfigur der Psychoanalyse zu ihrem Programm gemacht: die Kontroverse - denn seit 1900 ist kein Kernbegriff dieser unruhigen Disziplin widerspruchslos akzeptiert worden. Seit der Gründerzeit reizen ihre Aussagen in der Gesellschaft zum Widerspruch. Und für die Psychoanalyse als Theorie innerer und äußerer Konflikte ist das Widersprechen essentiell.

Zu den thematischen Schwerpunkten der Zeitschrift zählen die Geschichte der Psychoanalyse in Europa und auf anderen Kontinenten, gesellschaftspolitische und kulturtheoretische Probleme, Kunst und Film, klinische Fragestellungen sowie die Aktualität der Psychoanalyse im interdisziplinären Netzwerk. Zuvor unveröffentlichte Dokumente Sigmund Freuds und anderer historischer Figuren der Psychoanalyse tragen ebenso zum Profil der Zeitschrift bei wie Texte von Marie Langer, Mark Solms, Emilio Modena, Léon Wurmser, Micha Brumlik, Rolf Vogt, Paul Parin oder Antonino Ferro. Über die Beiträge zu den Schwerpunktthemen hinaus bietet die Zeitschrift Rezensionen und Veranstaltungshinweise.

Diese Publikation enthält:

Inhaltsverzeichnis

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Inhalt

Editorial

Csilla Katrin Körmendy
Weibliche Identität und Macht
Einige psychoanalytische Perspektiven zu Frauen in Führungspositionen

Angelika Gilliard und Edeltraud Tilch-Bauschke
Genderproblematik in Psychotherapien

Matthias Franz
Zur Bedeutung des Männlichen und Väterlichen in der Psychoanalyse

Ulrich Deutschmann
Charismatische Männlichkeit oder intersubjektive Anerkennung?
Kritische Anmerkungen zu Franz’ Vortrag über die Bedeutung des Väterlichen und Männlichen in der Psychoanalyse

Holde Wieland Rigamonti
Einige Anmerkungen zu dem im Beitrag von M. Franz tradierten Frauenbild

Peter Passett
»Sex« – Vom Sündenfall zur Erlösungshoffnung und zurück
Die wechselhafte Geschichte eines schillernden Begriffs

Andreas Jacke
Bisexualität und Depression
David Bowies Supplement 2013

Rezension

Psychoanalytiker/innen diskutieren Filme

Autorinnen und Autoren dieses Heftes

Nachtrag Filmbesprechung Heft 50/2013


Zusammenfassungen und Abstracts

Csilla Katrin Körmendy
Weibliche Identität und Macht. Einige psychoanalytische Perspektiven zu Frauen in Führungspositionen

Zusammenfassung: Die unterschiedliche Identitätsentwicklung von Frauen und Männern führt zu einem unterschiedlichen Verhältnis im Umgang mit Macht und Einfluß. Frauen reagieren auf die Möglichkeit, eine Führungsposition einzunehmen, mit einer sehr viel größeren Ambivalenz. Diese gründet in größeren Anpassungsschwierigkeiten an die Forderungen radikalkapitalistischen Denkens und Handelns, innerseelisch in der unzureichenden Ablösung vom mütterlichen Primärobjekt und der damit einhergehenden unzureichenden Inbesitznahme des eigenen Körpers und damit auch der eigenen (weiblichen) Potenz. In der Arbeit werden vier Frauentypen in ihrem Verhältnis zur Macht skizziert und gegeneinander abgegrenzt. Psychogenetisch wird das ambivalente Verhältnis von Frauen zur Macht mit Schwierigkeiten in der Separationsbewegung und einer daraus resultierenden Distanzierung von der eigenen Weiblichkeit in ihrer kreativ-lustvollen und Ungewißheit mobilisierenden Dimension in einen unmittelbaren Zusammenhang gerückt. Wenn es Frauen gelingt, mit Hilfe von Psychotherapie oder Coaching sich von ihren unbewußten Hemmungen zu befreien, werden sie die Verantwortungsübernahme und die Führungsposition weniger ambivalent erleben. Sie können somit langfristig auch auf die Führungskultur in den Unternehmen positiv Einfluß nehmen. Schlüsselwörter: Führungsposition, Sexualität, Autonomie, weibliche Identität, Unternehmenskultur

Female Identity and Power. Various Psychoanalytical Perspectives on Women in Executive Positions

Abstract
: The different development of identity in women and men leads to a different relationship towards handling power and influence. Women react to the opportunity to take on a leading position with much greater ambivalence. This is due to major difficulties in adapting to the demands of radical-capitalist thinking and acting, intrapsychically in the inadequate detachment from the maternal primary object in conjunction with the inadequate occupation of their own bodies and hence of their own (female) potency. In the paper the relationship to power of four types of women are outlined and distinguished from one another. In psychogenetic terms the ambivalent relationship of women to power is directly linked to difficulties in the separation movement and subsequent dissociation from their femaleness in its creatively sensual and uncertainty mobilizing dimension. If women succeed with the help of psychotherapy or coaching to liberate themselves from their unconscious inhibitions, they will be able to experience the assumption of responsibility and leading positions less ambivalently. They will thus be able in the long term to have a positive influence on corporate leadership culture.


Angelika Gilliard & Edeltraud Tilch-Bauschke
Genderproblematik in Psychotherapien

Zusammenfassung:
Wir gehen davon aus, daß das Geschlecht der Therapeutin den Behandlungsprozeß tiefgreifend beeinflußt. In der vorliegenden Arbeit befassen wir uns mit geschlechtsdifferenten Einflüssen auf die psychotherapeutische Beziehung sowie mit spezifischen Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen in Frau-Frau- und Frau-Mann-Therapien. Mit den folgenden Ausführungen wollen wir zeigen, daß ein gendersensibles und genderbewußtes Vorgehen für den therapeutischen Prozeß von großer Bedeutung ist. Der erste Teil beschäftigt sich mit den oft unbewußten Dynamiken, die entstehen, wenn Therapeutin und Patientin als therapeutisches Paar aufeinandertreffen. Das ist die häufigste therapeutische Beziehungskonstellation der letzten zwei Jahrzehnte. Es wird ausgeführt, wie sich die Geschlechtszugehörigkeit als spezifische Qualität, Intensität und Dynamik auf die beiden Interagierenden in der therapeutischen Beziehung sowie auf die fokussierten Themen der Behandlung auswirkt. Der zweite Teil befaßt sich mit der Dyade aus Therapeutin und männlichem Patienten, die zu der am seltensten gewählten Behandlungskonstellation gehört und besonders konfliktreich zu sein scheint. Es werden spezifische Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse beschrieben, die sowohl durch entwicklungspsychologische Voraussetzungen als auch durch noch immer geltende gesellschaftliche Geschlechtsrollenstereotypien bedingt sind. Dabei wird u.a. der Abwehrcharakter der präödipalen, erotisch-sexuellen und feindseligen Übertragung sowie dadurch ausgelöste Gegenübertragungsgefühle, die für Psychotherapeutinnen oft schwierig zu ertragen sind, untersucht. Im Anschluß daran werden
behandlungstechnische Fragen erörtert.

Gender problematic in psychotherapies

Abstract: We assume, that the sex oft the therapist influences deeply the process of treatment. In this essay we deal with the gender-specific influences on the psychotherapeutic relation as well as with gender-specific processes in transference and counter transference in woman/woman and woman/man therapies. The first part deals with the often unconscious dynamics that arise, when female therapist and female patient meet as a couple in treatment. This is the most frequent therapeutic constellation of relationship of the last two decades. It is shown, how sexual identity effects specific quality, intensity and dynamics in the interaction of their therapeutic relationship and the themes focused in the treatment. The second part deals with the dyad of female psychoanalyst and male patient, which belongs to the very rare chosen constellation of treatment and which seems to be full of conflict. Specific processes of transference and counter transference are being described, that are determined by developmental psychological preconditions as well as by still existing social genderrolestereotypes. Thereby the defensive character of preoedipal, erotic-sexual and hostile transference as well as by that incited counter transference feelings, which can be tolerated hard by the female psychoanalyst, are being examined. Additionally technical questions of treatment are being discussed.


Matthias Franz
Zur Bedeutung des Männlichen und Väterlichen in der Psychoanalyse

Zusammenfassung: Ausgehend von einem psychohistorischen Überblick über die destruktiven Aspekte der männlichen Sozialisation fokussiert dieser Vortrag zunächst die biographischen Folgen der kriegsbedingten Vaterlosigkeit. Die Einprägungen dysfunktionaler Vaterbilder und abwesender Väter und assoziierter depressiv-bedürftiger oder verfolgender Mutterbilder liefern jeweils eigene Stabilisierungsbeiträge zur Entwicklung der männlichen Scheinautonomie, des instabilen männlichen Selbstwertgefühls und familiärer Bindungsängste. Diese Konstellationen finden sich aufgrund ihres kollektiven Charakters auch in typischen Übertragungsmustern psychoanalytischer
Behandlung, wofür Fallbeispiele gegeben werden.

On the importance of maleness and fatherliness in psychoanalysis

Abstract: Based on a psychohistoric overview on the destructive aspects of the male socialization this lecture demonstrates biographical long-term consequences using the example of war related fatherlessness. Dysfunctional paternal patterns and missing fathers together with often associated aspects of depressive-demanding or prosecuting maternal imagines stabilize with specific contributions the development of male pseudo-autonomy, a fragile male self-esteem and anxiety related to own fatherhood. Due to their collective presence these constellations are operant as typical transference patterns within psychoanalytic therapies. Illustrative case examples are given.


Peter Passett
»Sex« – Vom Sündenfall zur Erlösungshoffnung und zurück. Die wechselhafte Geschichte
eines schillernden Begriffs

Zusammenfassung: Das Spannungsfeld der Begriffe Geschlechtlichkeit, Sexualität (Sex) und Liebe zentriert sich um eine durch keinen dieser Begriffe voll abgedeckte Vorstellung, die, obwohl als homogen imponierend, von zahlreichen inneren Widersprüchen durchsetzt ist. Diese schillernde Phantasie kann als der Inbegriff der in unserer Kultur herrschenden Idealvorstellungen im Bezug auf intime zwischenmenschliche Beziehungen bezeichnet werden. Sie erweist sich einerseits als eine nicht realisierbare Illusion, bestimmt andererseits aber doch als Leitvorstellung einen großen Teil der wichtigsten realen zwischenmenschlichen Beziehungen und ist Gegenstand der bedeutendsten Schöpfungen der menschlichen Kultur in Literatur, bildender Kunst und Musik. Sie wirkt als eine der wichtigsten Triebfedern, sowohl der Kulturgeschichte, als auch der individuellen Lebensgeschichten der Subjekte. Der Text versucht aufzuzeigen, daß diese kulturelle Zentralphantasie nicht mit einem biologischen Trieb gleichgesetzt werden darf, sondern als humanspezifisches Produkt der Interaktion zwischen zwei biologischen Instinkten zu verstehen ist, das eine anthropologische Grundsituation begründet und von dieser begründet wird, welche, obwohl biologischen Ursprungs, ein exquisit kulturelles Faktum darstellt. Sexualität wird konzipiert als der Ort der Artikulation von Differenz schlechthin und damit als der blinde Nabel der Kultur. Schlüsselwörter: Sexualität, Liebe, Natur, Kultur, Botschaft, Differenz

Abstract:
The German concepts of »Geschlechtlichkeit«, »Sexualität« and »Liebe« are seen as revolving around a central phantasm, which is culturally determined. This phantasm, though seemingly homogeneous, is full of inner contradictions. These contradictions are due to the fact that sexuality in the enlarged sense of Freudian theory is a sort of amalgamation of the two biological instincts of sexuality and self-preservation. As a consequence of the seduction of the human infant by the adults, conceived by Jean Laplanche as the »original seduction« – a fundamental anthropological situation – the prematurely provoked sexual instinct takes pattern from the self preservation instinct, thus creating a new phenomenon, the specifically human drive. The inner contradictions of this phenomenon, that are due to the partly incompatible aims of self-preservation and preservation of the species characterize the afore mentioned central cultural phantasies of love and sex and are responsible for the fact that these phantasies, although determining the character of the most important intimate interpersonal relations, can actually never be realized. Thus the deep ambiguity and ambivalence inherent in sexuality (sex) and love.


Andreas Jacke
Bisexualität und Depression. David Bowies Supplement 2013

Zusammenfassung: Dieser Aufsatz beschäftigt sich auf der Grundlage meines Buches David Bowie – Station To Station. Borderline Motive eines Popstars (2011) mit dem neusten Album des Popkünstlers The Next Day (2013). In meinem Buch hatte ich mithilfe von Melanie Klein Schlüsselmotive des Popstars anhand seiner Biografie untersucht. Nun wird das neue Album eingehend beschrieben. Dabei werden das Cover, die Videoclips und vor allem einige seiner Songtexte und ihre Hintergründe eingehend analysiert. Bowies Bisexualität, seine widersprüchlichen Aussagen, seine depressive Grundhaltung und seine Ansichten über Leben und Tod geraten in den Fokus. Seine Bezüge zur Postmoderne, zum Verlust und zur Lebensbejahung werden beschrieben. Daß Popmusik weit über den Rahmen von bloßer Unterhaltsamkeit hinausgehen und durchaus sehr eigenwillige psychische Themen aufgreifen kann, wird dabei gezeigt.

Bisexuality and depression. David Bowie’s Supplement 2013

Abstract: Based on my book David Bowie – Station To Station. Borderline Motive eines Popstars (2011), this paper focuses the latest album of David Bowie The Next Day (2013). In my book I studied the key motifs of the popstar with the aid of Melanie Klein’s theory and his biography. In this paper the new album is described in detail, by analyzing the cover, the video clips and especially extracts of the lyrics and their backgrounds. Bowie’s bisexuality, his contradictory statements, his depressive attitude and his views on life and death come into focus. His references to postmodernism, the loss and the affirmation of life are described. The fact that pop music can go far beyond the scope of mere entertainment value and take up quite very idiosyncratic psychological issues will be shown.