Burkard Sievers
Rache und Vergeltung aus der Sicht Melanie Kleins (PDF-E-Book)
Freie Assoziation 2003, 6(2), 7-28
EUR 5,99
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Verlag: Psychosozial-Verlag
22 Seiten, PDF-E-Book
Bestell-Nr.: 21004
In diesem Beitrag werde ich das Verständnis Melanie Kleins von
Vergeltung und Rache aufzeigen, denen in ihrem Werk insofern eine
grundlegende Bedeutung zukommt, als diese nicht – wie bei manchen
anderen psychoanalytischen Autoren – als sekundäre Phänomene bzw.
als Ausdruck einer frühen pathologischen Fehlentwicklung verstanden
werden. Klein schreibt diesen Phantasien und Gefühlen vielmehr eine
konstitutive Bedeutung für die ›Menschwerdung‹ des Säuglings und
Kleinkindes zu, wobei der Wunsch nach Vergeltung eine Reaktion auf
die Verfolgungsängste bedeutet, die den Säugling während der ersten
Monate seines Lebens in der paranoid-schizoiden Position
beherrschen. Sie trägt damit insofern zu einer Entpathologisierung
von Vergeltungsängsten und Rachegefühlen bei, als davon ausgegangen
werden muss, dass die Abwehr und Bewältigung elementarer
Verfolgungsängste ebenso wie die damit einhergehenden Vergeltungs-
und Rachedynamiken unwiderrufbar zu eben jener psychischen Realität
und Erfahrung zählen, in denen die Welt des Erwachsenen wurzelt.
Das darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, als würde
Melanie Klein letztlich einer pessimistischen und resignativen
Psychologie das Wort reden. Statt auf einer gegen das Selbst
gerichteten Aggressivität basiert ihre ›Ethik‹ vielmehr auf Liebe;
die Fähigkeit des reifen Individuums zur Besorgnis für das
Wohlergehen des anderen, resultiert aus seiner Fähigkeit, sich mit
dem Leiden anderer zu identifizieren. Durch die Unterscheidung von
Rache und Rachsucht wird deutlich, dass letztere oft mit einem
enormen Maß an Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Leid sowohl auf
Seiten des Rachsüchtigen als auch für die Personen seines
jeweiligen Umfeldes einhergeht, die dieser Rache zum Opfer
fallen.
Abstract:
In this paper I elaborate the concepts of retaliation and vengeance
in the work of Melanie Klein. Unlike other psychoanalytic writers
who regard these phenomena as secondary or as expressions of
pathological abortive development from early childhood, Klein
regards them as phantasies and emotions significant to early infant
development. The longing for retaliation is seen by Klein as a
reaction to the inevitable persecution anxieties characteristic of
the paranoid-schizoid position predominant during the infant’s
first months of life. Klein depathologizes retaliatory anxieties
and feelings of revenge and views them as normal defences against
elementary persecution anxieties. In her view, they constitute an
essential part of the psychic constitution required for healthy
adult development. Klein’s position should not be interpreted as a
pessimistic psychology of resignation. Her ethic is based on love
rather than on aggression turned against the self. The capacity of
the mature individual to be concerned for the well-being of others
includes the ability to identify with their suffering. While
revenge can be viewed as a normal phenomenon, vengefulness is more
often than not accompanied by deep despair, hopelessness and
suffering on the part of the vengeful person and those who are
victims of this revenge.