Joyce McDougall
Plädoyer für eine gewisse Anormalität

EUR 39,90
Dieser Titel ist derzeit vergriffen.
Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
Verlag: Psychosozial-Verlag
469 Seiten, Gebunden, 120 x 200 mm
Erschienen im Februar 2001
ISBN-13: 978-3-8980-6113-1, Bestell-Nr.: 113
Die »klassischen Neurosen« der »normalen Neurotiker« werden immer
seltener. In den Behandlungszimmern der Psychoanalytiker stellen
sich heute meist Patienten ein, die keine ausgeprägten hysterischen
oder Zwangssymptome haben, sondern sich über diffuse Gefühle von
Angst und Depression beklagen, über wiederholtes Versagen oder
andere Symptomformen wie Süchte oder psychosomatische Krankheiten.
Während die Analysanden früher meist an neurotischen
Sexualproblemen litten, treten heute Symptome in den Vordergrund,
die sich aus älteren Konflikten der psychischen Entwicklung eines
Individuums ergeben.
Verhältnismäßig spät tritt ja in der Entwicklung des Kindes der
kleine Ödipus zutage, der die Tatsache des Geschlechtsunterschieds,
die narzißtische Kränkung durch die Urszene und die Versagung
seiner erotischen und aggressiven Wünsche gegenüber den Eltern
bewältigen muß. Sehr viel früher hat man es mit einem kleinen
Narziß zu tun, der mit dem definitiven Verlust der Brust-Mutter
fertig zu werden hat und dem sich die unabweisbare Notwendigkeit
stellt, durch die Schaffung innerer psychischer Objekte diesen
Verlust zu kompensieren.
Wenn dies angesichts überwältigender psychischer Traumata mißlingt,
bleibt die subjektive Identität durch archaische Trennungs-,
Desintegrations- und Todesängste bedroht. Sexuelle Perversionen,
Homosexualität, narzißtische und psychosomatische Störungen oder
»Überanpassung an die Realität« können als die individuell
verschiedenen und insofern durchaus »schöpferischen« Leistungen des
Subjekts verstanden werden, solche Dilemmata zu lösen.
Die Abwehrmechanismen der Patienten, auf deren klinisch
dokumentiertes Material sich die vorliegenden Untersuchungen von
Joyce McDougall stützen, reichen also tiefer als die Verneinungen
und Verdrängungen der neurotischen Kastrationsangst; sie
entsprechen vielmehr dem, was Freud als Verwerfung und Lacan als
»forclusion« bezeichnet haben.
Dieses Buch enthält lebendig geschilderte Reflexionen McDougalls
über ihre Patienten aus vielen Jahren der Arbeit in der
Psychotherapie. Ihr »Plädoyer« ist eines für die Würdigung der
»Kreativität« im Umgang mit psychischen Störungen. Das Ideal der
psychoanalytischen Therapie ist nicht der vollständig rationale,
vernunftgesteuerte Mensch, sondern das Individuum, das einen
flexiblen, offenen und sich selbst gegenüber toleranten Umgang mit
seinen eigenen unbewußten, infantilen und triebhaften Anteilen
hat.
Verschiedene wichtige Werke der Autorin sind im Verlag
Internationale Psychoanalyse/Klett-Cotta erschienen