Martin Altmeyer
Das entfesselte Selbst
Versuch einer Gegenwartsdiagnose
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Buchreihe: Psyche und Gesellschaft
Verlag: Psychosozial-Verlag
454 Seiten, Gebunden, 148 x 210 mm
ISBN-13: 978-3-8379-3196-9, Bestell-Nr.: 3196
DOI:
https://doi.org/10.30820/9783837979091Der klassische Sozialcharakter hat sich diversifiziert. Heute
tummelt sich auf den Bühnen moderner Kommunikationsgesellschaften
ein buntes Gemisch – Influencer und Blogger, Gamer und Trader,
Querdenker und Wutbürger, Verschwörungsgläubige und Satanisten,
esoterische Sinn- oder Gottsucher, zudem engagierte Klima- und
Sozialrebellen einer moralisch hochsensiblen wie politisch
hellwachen Generation Z, die den Konsumismus der Generation X wie
den Pragmatismus der Generation Y hinter sich lässt. Miteinander
teilen all diese Gruppierungen einen gegenwartstypischen Hang zur
performativen Selbstentfesselung: Zeigen wir der Welt, wer wir
sind!
In einer unruhigen Gegenwart mit ihrer Anhäufung bedrohlicher
Krisen navigiert das entfesselte Selbst auf ambivalente Weise:
psychisch zwischen innerer Befreiung und äußerer Enthemmung,
soziokulturell zwischen Identitätshoffnungen und Zukunftsängsten,
kosmopolitisch zwischen dem Menschheitsfortschritt einer
zusammenwachsenden Welt und der totalitären Versuchung durch
geschichtlich längst diskreditierte Ideologien, die der
anschwellende Panpopulismus wieder aufleben lässt. Aus der
Perspektive einer relationalen Psychoanalyse betreibt Martin
Altmeyer zeitdiagnostische Aufklärung als Selbstaufklärung.
Inhaltsverzeichnis
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Prolog
Mentale Zeitenwende und eine Welt in Unruhe: zur Ambivalenz und
Aktualität der Entfesselungsmetapher
Statt einer Einleitung
Mittendrin statt nur dabei: der Massensport als Seismograph des
Zeitgeists
Teil I
Psychische Entfesselung oder das Seelenleben zwischen Befreiung und
Enthemmung
1 Die exzentrische Psyche. Warum Menschen aus sich herausgehen und
aller Welt zeigen, was in ihnen steckt
Von innen nach außen: Sei du selbst und zeige, wer du bist!
Jenseits des Heldentums: die postheroische Persönlichkeit
Hinter der Selbstdarstellung: eine Suche nach
Anerkennung
2 Der maskierte Narzissmus. Wie sich hinter der scheinbaren
Selbstbezogenheit ein Bedürfnis nach Anerkennung verbirgt
Trieb- oder Umweltmodell: Freuds Theorieambivalenz
Im Blick des Anderen: die intersubjektive Bedeutung der
Spiegelmetapher
Das narzisstische Paradox: Abhängigkeit versus
Unabhängigkeit
3 Die Erfindung des Säuglings. Wie sich das frühkindliche
Seelenleben aus Umweltinteraktionen erschließen lässt
Eine Frage des psychischen Ursprungs: Autismus oder mentale
Bezogenheit
Der Vorrang des Sozialen: eine interpersonelle
Entwicklungstheorie
Einsichten ins Seelenleben: Konstruktion oder
Rekonstruktion
4 Das relationale Unbewusste. Wie ein heimliches Seelenscharnier
die innere mit der äußeren Realität verbindet
Der virtuelle Andere: eine Beziehung im Wartestand
Regression oder Progression: zwei Wege aus der Symbiose
Im Dienst der Anpassung: das Unbewusste als der »große
Konformist«
5 Paradoxien des Selbst. Weshalb Individuierung und
Vergesellschaftung zwei Seiten der seelischen Entwicklung sind
Festhalten an der Amöbensage: die Legende vom vorsozialen
Selbst
Winnicotts Korrektur: ein Gefüge aus Umwelt und Individuum
Metaphernaustausch: vom seelischen Apparat zur vernetzten
Seele
6 Innen, Außen, Zwischen. Wozu eine moderne Psychoanalyse ihr
klassisches Trieb durch ein Beziehungsmodell der Seele ersetzt
Das Paradigma der Intersubjektivität: Ich ist ein Anderer
Die Psyche als Beziehungsorgan: Kontakte suchen, Verbindungen
herstellen, Netzwerke knüpfen
Das Ende der Monadentheorie: Konvergenz in der Basistheorie der
Humanwissenschaften
7 Glaube oder Wissen. Wie uns eine fatale Neigung zum
Psychofundamentalismus in die Untiefen der Gegenaufklärung
führt
Ausgrenzung des Fremden: ein Dilemma im psychoanalytischen
Identitätsdiskurs
Lebensgeschichte als Gerücht: no memory, no desire, no
understanding
Messianische Verlockung: Abwege autoritärer Deutungsmacht
Teil II
Soziokulturelle Entfesselung oder Heil und Unheil aus der Büchse
der Pandora
8 Eine Urformel des Mentalen. Wie sich das Selbstgefühl in einer
Dreiecksbeziehung aus Ich, dem Anderem und der Realität bildet
Die abwesende Außenwelt: zur triadischen Struktur von
Psychotherapie
Der Ödipuskomplex: ein klassisches Dreiecksmodell der
Ichbildung
Epistemische Verwirrung: das Dritte im psychoanalytischen
Pluralismus
Exkurs: das Eifersuchtsdrama am Fallbeispiel einer
Paartherapie
9 Das Internet als Resonanzsystem. Wie Echo- und Spiegelwirkungen
einer medialisierten Lebenswelt unser Seelenleben
durchdringen
Eine Ökonomie der Aufmerksamkeit: die authentische Persönlichkeit
als Edelware
Im mentalen Kapitalismus: das Selfie als universelles
Massenprodukt
Früher war alles besser: Medienschelte, Modernekritik und
Kulturpessimismus
10 Morden im Rampenlicht. Warum auch das Böse sich öffentlich
präsentiert und sein Publikum braucht
Der unzurechnungsfähige Täter: die Entlastungsfunktion der
Ursachenlogik
Eine Lust am Töten vor Zeugen: die szenische Phänomenologie der
Gewalttat
Die Inszenierung von Bedeutung und Allmacht: ein grandioses Selbst
in Aktion
11 Quellen der Destruktivität. Weshalb menschliche Vernichtungswut
auf schwere Entgleisungen im Zwischenmenschlichen verweist
Weder von innen noch von au.en: die Sozialpathologie des Bösen
Im Namen der höheren Moral: ein Sprung über Gewissen und Schuld
Leerstellen im westlichen Wohlstandsmodell: Botho Strauß und Jürgen
Habermas über Sinnverlust
12 Selbstfindung statt Lustgewinn. Wieso nicht mehr Sexualität,
sondern Identität das seelische Hauptproblem unserer Zeit ist
Symptomverschiebung oder Strukturwandel: das verunsicherte
Selbst in der reflexiven Moderne
Auf dem Weg zur Post-Privacy: das prekäre Verhältnis von
Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit
Der Identitätsanker als Identitätsfalle: ein Essenzialismus durch
die Hintertür
13 Sackgassen in »Wokistan«. Wo im gerechten Kampf gegen
Diskriminierung die Fallen der Selbstgerechtigkeit lauern
Selbstviktimisierung: die Opferfalle
Kulturelle Aneignung: die Authentizitätsfalle
Aufspaltung in Gruppen: die Partikularismusfalle
Relativierung des Holocaust: die Falle des Postkolonialismus
Sex oder Gender: die sozialkonstruktivistische Falle
14 Je schlimmer, desto besser! Warum sich eine kritisch angewandte
Psychoanalyse auf die Pathologien der Moderne fixiert
Von der Neurasthenie zum Narzissmus: kurze Jahrhundertgeschichte
des Sozialcharakters
Exkurs: das Schicksal der autoritären Persönlichkeit im geteilten
Nachkriegsdeutschland
Konkurrierende Zeitdiagnosen: die rasende Zeit oder das erschöpfte
Selbst
Nach uns die Sintflut: die Postmoderne und das angebliche Ende des
Subjekts
Teil III
Kosmopolitische Entfesselung oder die Geburtswehen einer
zusammenwachsenden Welt
15 Irren ist menschlich. Wie ein gefährliches Virus wahnhafte
Verschwörungstheorien beflügelt und geliebte Weltbilder
bestätigt
Bewältigung von Angst: die beruhigende Wirkung von
Wahnsystemen
Kreativität auf Abwegen: die Welt neu erfinden, die man
vorfindet
Vor Irrtümern ist niemand gefeit: Kapitalismus führt zum
Faschismus
16 Verlust der großen Utopie. Weshalb auch die 68er-Generation
Vergangenheit zu bewältigen und Trauerarbeit zu leisten hat
Unter dem Pflaster der Strand: ein kollektiver Traum von der
befreiten Gesellschaft
Sexualität und Klassenkampf: von der antiantiautoritären Revolte
zur sozialen Revolution
Das rote Jahrzehnt: Heilsgewissheiten und eine andere Unfähigkeit
zu trauern
17 Sehnsucht nach dem Feind. Weshalb die Dunkelschichten im
deutschen Linksterrorismus immer noch auszuleuchten bleiben
Die Attraktivität der RAF verstehen: Reemtsma gegen Richter
Macht Schluss mit dem Todestrip: von der Hypermoral zur
Opferidentität
Antisemitismus trifft Antikapitalismus: die »Geldjuden« und der
»Judenknax«
18 Das Paradies im Himmelreich. Womit ein totalitärer Islam den
gottlosen, mammonistischen und dekadenten Westen herausfordert
Eine verhängnisvolle Kriegserklärung: die Aufwertung des
Dschihad
Der Streitfall um Deutungshoheit: Islamofaschismus oder
Islamophobie
In den Dunkelkammern der Vormoderne: die Mär vom »Goldenen
Zeitalter«
19 Das Rätsel um Donald Trump. Wie ein eifernder
Nationalchauvinismus die älteste, stabilste und mächtigste
Demokratie der Welt ins Wanken bringt
Make America great again: die Einfühlungskunst eines
Rattenfängers
Zuflucht bei alternativen Wahrheiten: ein Volkstribun und sein
Volk
Polarisierung durch Kulturkampf: der ideologische Einflüsterer
hinter den Kulissen
20 Seelenverwandtschaften. Wie im Fahrwasser radikaler
Globalisierungskritik die weltanschaulichen Gegensätze
verschwimmen
Der Fußballhooligan im Gotteskrieger: Bereitschaft zur Attacke
Das Rechte im Linken: Hass gegen System und Kapital
Der Kommunist im Islamisten: Sehnsucht nach der »Großen
Harmonie«
21 Das Unbehagen in der Kultur. Woher der anschwellende
Panpopulismus seine rebellischen Widerstandsenergien
bezieht
Verlustangst, Verteidigungsbereitschaft und Gewaltphantasie: der
kommende Aufstand
Mentale Zumutungen der Gegenwartsmoderne: Bürger in Wut
Die weltoffene Gesellschaft in der Defensive: ein Rebound der
Globalisierung
Epilog
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Geschichtsoptimismus
gegen Weltuntergangsstimmung
Literatur
Personenregister
Sachregister
Nachweise
Rezensionen
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»›Frieden kann es nur geben, wenn Israel eine Zweistaatenlösung anbietet. Die Palästinenser müssen die Gewaltherrschaft der Hamas abschütteln und ihre Vernichtungsfantasien aufgeben.‹ – Unser Autor Martin Altmeyer hat gemeinsam mit Daniel Cohn-Bendit einen ausführlichen Artikel zum Krieg in Nahost auf Spiegel.de publiziert…« [mehr]