Nach einer bekannten Liedzeile ist »das Böse immer und überall«:
Sieht man sich derzeit auf dem Buchmarkt und im Internet um, dann
gewinnt man den Eindruck, es sei, wenn nicht in aller, so doch in
vieler Munde. Warum aber ist, falls dieser Eindruck zutrifft, »das
Böse« so populär? Vielleicht fängt der Begriff eine bestimmte
kollektive Stimmung ein, eine Stimmung globaler Bedrohung und
Gefährdung, die viele Menschen ohnmächtig macht, weil sie nicht
genau zu sagen wissen, was genau die Ursachen für ihre Stimmung
sind. Da kommt ein Begriff wie »das Böse« gerade recht, kann er
doch unterschiedslos auf alle Gefühle, Gedanken und Handlungen
angewendet werden, die negativ, mehr noch: destruktiv sind.
In der modernen, das heißt der säkularen und nachmetaphysischen
Welt tritt »das Böse« zumeist maskiert auf den Plan. Unbefangen
lässt sich nämlich kaum von »dem Bösen« sprechen, weil der Begriff
nichts erklärt, sondern allenfalls beruhigt. Es handelt sich bei
der Invokation des Bösen um eine Beruhigung, die in zahlreichen
institutionellen Sphären keine Akzeptanz findet. Das Böse muss sich
maskieren und kehrt in anderem Gewande wieder.
Von der naturwissenschaftlichen Erklärung von Verbrechen durch die
Aktivität von Gehirnsubstanzen bis hin zum innerpsychischen Angriff
auf die Lebenstriebe – überall kehrt »das Böse« in verwandelter,
verdeckter oder auch verstellter Weise zurück. Das hat mit den
diskursiven Funktionen zu tun, welche die Rede vom Bösen nach wie
vor erfüllt, obwohl wir nur noch in einem uneigentlichen Sinne von
»dem Bösen« sprechen und ihm lediglich eine Lückenbüßer-Rolle für
das Nicht-Erklärliche und Allzu-Ungeheuerliche zubilligen können.
In verschiedenen Variationen zeigen dies die Beiträge des
vorliegenden Bandes.
Mit Beiträgen zum Themenschwerpunkt von Helga Cremer-Schäfer, Achim
Geisenhanslüke, Rolf Haubl, Torsten Heinemann, Robert Heim,
Franziska Lamott, Wolfgang Palaver, Ferdinand Sutterlüty und Benno
Zabel
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