Sascha Klotzbücher

Lange Schatten der Kulturrevolution

Eine transgenerationale Sicht auf Politik und Emotion in der Volksrepublik China

Cover Lange Schatten der Kulturrevolution

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Buchreihe: Psyche und Gesellschaft

Verlag: Psychosozial-Verlag

543 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm

1. Auflage 2019

ISBN-13: 978-3-8379-2829-7, Bestell-Nr.: 2829

Im Schatten der emotionalen Manipulationen während der Kulturrevolution (1966–76) gilt das Verhältnis von Politik und Emotion im postmaoistischen China als stark belastet. Sascha Klotzbücher fragt nach den Langzeitwirkungen dieser emotionalen Manipulation und analysiert Maoismus nicht als politischen Herrschaftsmechanismus, sondern in seiner lebensweltlichen und identitätsstiftenden Funktion. In seiner umfassenden Studie untersucht der Autor das Verhältnis von Emotion und Politik in einer transgenerationalen Forschung aus der Erlebnisperspektive der Beteiligten an der Kulturrevolution und ihrer Nachkommen.

Darüber hinaus stellt er mit dieser Arbeit ein partizipatives Forschungsdesign vor, in dem die eigene Subjektivität des Forschers/der Forscherin mitgedacht wird. Die Analyse dieser ForscherInnensubjektivität definiert einen neuen transregionalen Standpunkt, von dem aus die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kulturrevolution und den nachfolgenden Prozessen der Erinnerungskultur neu bewertet werden muss.

简要 [Chinesische Zusammenfassung]
文革政治在中国人情感上的代际效应
个人崇拜、群体狂热、阶级斗争妖魔化,曾是中国十年文革的主题。对政治乌托邦和领袖神人化的反思过程,不乏激烈狂热,抑或创伤累累。本书从个体经历的角度研究考察情感与政治之间的关联。
在社会科学和整个西方的现代中国研究中,情感一直是一个容易被忽视的领域。而事实是,人们通常倾向于与研究对象感同身受、共情理解。对于在西方土生土长的汉学研究者来说,分析研究对象的情感,意味着也要开启专业之外自己对"中国"这个意象的兴趣、恐惧或渴望的深度记忆。带有主观感情色彩的研究者主体性,颇具为汉学研究广辟天地的潜力,可至今弃之如敝履,尚未找到用武之地。本书的理念目标是构建研究者主体性在汉学中的意义,确立非华裔研究者的主体内观在汉学中的重要性。
书中不从政治意识形态上,而是从心理动力学角度,定性和分析毛泽东思想。对毛泽东思想实际权威的还原,也并非在国家机构及其职能中进行,而是在其为处于政治生活边缘被动适应体系的个体提供自我定位和获得情绪价值的社会角色中尝试。从下意识压抑政治上的焦虑,到形成更强的政治依赖性,三种被意识形态格式化了的社会角色在文革日记分析中显现出来。通过2006至2012年间在中国、美国和奥地利对文革同龄人及其子女的采访和参与式异域文化精神分析发现,上一代人在文革期间对自我和社会的感知及依恋模式,在下一代人身上重现:当年上一代人的政治无力感如何幻化为获得解放和本真的自我感知,如今就如何凝结为对下一代人的期望值。

Inhaltsverzeichnis

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Vorwort

Abkürzungen und Umschrift

1 Einleitung

2 Die Forschersubjektivität in den Chinawissenschaften
Konstitution und Selbstreflexion, Verführung und Selbstverständnis
2.1 Die Fremdwahrnehmung des Chinaforschers: Wie sehe ich den »Anderen«?
2.1.1 Gefühle als virulentes Erbe einer vergangenen politischen Kultur
2.1.2 Angst als strukturimmanentes Merkmal der Feindbeobachtungen
2.1.3 Entdämonisierung des kommunistischen Zukunftsentwurfs: Sympathie, Identifikation und projektive Rationalisierung
2.1.4 Ausschluss und Identität des »Beobachters von Beobachtung«
2.1.5 Vom Beobachter zum Verkünder: Die illusionäre Negierung des Ausschlusses
2.1.6 Professionelle Abwehrstrategien und das daraus entstehende epistemologische Dilemma
2.2 Die Fremdwahrnehmung des Fremden: Wie sieht mich der »Andere«?
2.3 Die Selbstwahrnehmung des Chinaforschers: Wie sehe ich mich selbst?
2.3.1 Übertragungen: Die affektive Initialisierung in der Verführung
2.3.2 Gegenübertragungen: Die Deckerinnerung des Berufsverbots als Gruppenformierung
2.3.3 Die Verleugnung der Verführung und die Begrenzung des Stigmas im kollektiven »Denkzwang«
2.3.4 Das sinologische Selbstverständnis als entlastende Position
2.3.5 Szenarien der Rückkehr des verschwundenen Forschersubjekts
2.3.6 Die Ablehnung der Fremdbeobachtung und die Rolle als vertrauter Beobachter
2.4 Die Selbstwahrnehmung des Fremden in den »footsteps of the Communist Party«: Wie sieht der Andere sich selbst?
2.4.1 Interaktionsmuster zwischen Wissenschaftlern und Kadern: Principal-Agent
2.4.2 Fortschreibung des patriarchalen Musters in internationalen Kooperationen
2.5 Der verletzliche Beobachter und seine professionellen Abwehrstrategien

3 Ethnopsychoanalytische Wege zur Emotion in den Chinawissenschaften
3.1 Quellenmaterial und -auswahl
3.2 Gespräche im Forschungsprozess als kommunikative Validierung
3.3 Interdisziplinäre Annäherung an psychoanalytische Ansätze
3.3.1 Beschränkungen der bestehenden psychoanalytischen Diskurse
3.3.2 Der Umbruch und das Erklärungspotenzial der Psychoanalyse
3.3.3 Theoretische Fassung der Emotion und Identifikation in der Rolle
3.4 Transgenerationale Weitergabe und Familie als Speicher

4 Ideologische Situationen und Rollenerwartungen
4.1 Ausrichtung auf den politischen Führer
4.2 Die Freund-Feind-Dichotomie
4.3 Die Dystopie der Feindesherrschaft erzeugt Bringschuld
4.3.1 Feindbekämpfung als Marker und Handlungsoption
4.3.2 Erhöhter individueller Klärungsbedarf
4.4 Die Utopie des Kommunismus suggeriert Verbesserungsbedarf
4.5 Rollenvorbilder versetzen in die »als ob«-Situation
4.5.1 Lei Feng und andere kommunistische Mustermenschen
4.5.2 Rollenerzählungen in den »Drei Aufsätzen«
4.5.3 Soldaten als allgegenwärtige Repräsentanten der »als ob«-Situation
4.6 Die totale, ideologisch geformte Situation

5 Emotionen durch Rollenerwartungen
5.1 Kalkulierte Verunsicherung: Familienloyalität vs. Gruppenloyalität
5.2 Enttäuschung aus einem Selbstrelativierungsdefizit
5.3 Scham durch mangelnde revolutionäre Forschheit
5.4 Minderwertigkeitsgefühle durch soziale Deklassierung
5.5 Gefühlsumschl.ge durch Dissonanz gegenüber einem Objekt
5.6 Die Furcht vor Entbehrungen und das »Klassengefühl«
5.7 Politisches Bewusstsein und affektive Ermächtigung

6 Identifikation mit den drei maoistischen Rollen
6.1 Identifikation mit dem Angreifer in der Rolle des Verehrers von Mao
6.1.1 Auflösung des Ambivalenzkonflikts in der Neuausrichtung auf Mao
6.1.2 Veränderung der Wahrnehmungssituation in der Masse 242
6.1.3 Identitätsbildung im Gefühl der Loyalität
6.1.4 Kompromissbildung: Positionierung als gewissenhafter Schüler der Bauern
6.1.5 Handlung als Marker: Treue und Dankbarkeit auf dem maoistischen Energiepfad
6.2 Die Projektion und die Identifikation in der Heldenrolle
6.2.1 Auflösung der Ambivalenz und Neuausrichtung auf den Feind im Gefühl des Hasses
6.2.2 Entmenschlichung des Feindes und Grenzverschiebungen
6.2.3 Identitätsbildung: Held des Volkes im Vollzug des Hasses
6.2.4 Handlung als Marker: Die Tötung des Volksfeindes
6.2.5 Denunziation
6.2.6 Der Anti-Held und die Selbstvernichtung
6.3 Die Introjektion: Identifikation in der Rolle des Kontrolleurs
6.3.1 Neuausrichtung auf das eigene Innere
6.3.2 Wahrnehmungsverschiebung: Von Angst zu ideologischer Anforderung
6.3.3 Handlungen der Selbstbezichtigung als Marker
6.4 Abwehrformationen, soziale Rollen, Wahrnehmungsräume und Gefühle

7 Umdeutungen alter Identitäten und transgenerationale Übertragungen
7.1 Von Verehrung zum Gefühl des nostalgischen »Fantasietrosts« und das Aufkommen neuer imagined communities
7.1.1 Ideologische Neufassungen des Objekts: Die Veralltäglichung Maos und die nun öffentliche Ambivalenz
7.1.2 Fantasietrost in der nostalgischen bäuerlichen Umgebung
7.1.3 Erklärung in neuen großen Ordnungssystemen
7.1.4 Transgenerationale Weitergabe des Bonding
7.1.5 Auflösung der Rolle des loyalen Verehrers und Diversifizierung der Objektbeziehungen: Profanisierung Maos, der Bauern und Kader
7.1.6 Transgenerationale Weitergabe
7.1.7 Selbst- und politische Fremdwahrnehmung
7.2 Das Stigma des Helden und die Abwehr in der Idealisierung
7.2.1 Die abschwächende Projektion und die Selbstentdeckung in der Schuld
7.2.2 Heldische Kontinuitäten: Überhöhte Ideale und die Illusion der Autonomie im Akt der Unterwerfung
7.2.3 Die Suche nach dem Verbündeten im intergenerationalen Raum
7.3 Leiderfahrung und die »narzisstische Funktionalisierung« der zweiten Generation
7.3.1 Sinnlosigkeit der Askese und Flucht in die Gier
7.3.2 Kontinuum des Kontrolleurs: Narzisstische Funktionalisierung im intergenerationalen Raum
7.3.3 Die Tradierung der Leidensfähigkeit

8 Das Politische im Unpolitischen und Wege zu einer reflexiv verankerten Chinaforschung
8.1 Affektive Initialisierung, Verführungserfahrung und Stigma
8.2 Resonanz und Positionalität als Teile einer reflexiven Sinologie
8.3 Maoismus von unten: Abhängigkeit von der großen Vision
8.4 Die Verschiebung der Abhängigkeiten in neue Arenen als Merkmal der Kontinuität
8.5 Transgenerationale Übertragung und Abwehr
8.6 Das scheinbar Unpolitische: Die disziplinierten Wissenschaften und die Eindimensionalität in den Familien
8.7 Kontinuität der Kulturrevolution: Die postfaktische Ohnmacht

Gespräche

Tabellen

Abbildungen

Literatur

Chinesische Zusammenfassung 简要

Rezensionen

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China Information 34(2)

Rezension von Daniel Koss

»This groundbreaking contribution enhances our understanding of Maoist legacies, with insights into the intergenerational transmission of lived history. Relevant beyond China, the analysis also illuminates emotional manipulation in authoritarian systems. (...) Overall, the book is a highly significant contribution to Cultural Revolution research, with implications far beyond China studies. It provides fresh concepts to analyse emotions in Maoist China, and more generally to uncover the emotional order underpinning power in authoritarian polities. Moreover, the book advances the exploration of historical legacies by identifying micro-mechanisms of familial memory transmission…«

Asia Bridge 9/19

Rezension von Francoise Hauser

»Was genau die Kulturrevolution auslöste, mit welchen Mechanismen und Rollenerwartungen die Ideologen arbeiteten, das ist Gegenstand dieses Buches. Der Autor nutzt dabei persönliche Gespräche und geht psychologisch sehr in die Tiefe – keine einfache Lektüre also, dafür umso befriedigender für alle, die sich mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen möchten…«

fachbuchjournal Nr. 5, Oktober 2019

Rezension von Helwig Schmidt-Glintzer

»Den ›Einfluss der Kulturrevolution auf die heutige Gesellschaft‹ zu bestimmen ist immer noch ein Desiderat der Forschung. Die eine Vielzahl von Interviews aus der Zeit zwischen 2006 und 2012 einbeziehende umsichtige Studie von Sascha Klotzbücher ist daher als ein großer Sprung nach vorn zu bezeichnen…«