Anne-Marie Schlösser, Alf Gerlach (Hg.)
Gewalt und Zivilisation
Erklärungsversuche und Deutungen. Eine Publikation der DGPT
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Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
Verlag: Psychosozial-Verlag
688 Seiten, Gebunden, 148 x 210 mm
ISBN-13: 978-3-8980-6155-1, Bestell-Nr.: 155
Im öffentlichen Diskurs wird ununterbrochen von Gewalt gesprochen.
Sie erscheint als Einbruch in eine eigentlich friedlich-normale
Welt, als Phänomen, das selbst ebenso fasziniert wie seine
eigentümliche Unerklärlichkeit. Durch die Terroranschläge am 11.
September 2001 hat das Thema eine beklemmende Aktualisierung
erfahren.
Psychoanalytiker haben mit Nachdruck auf die menschliche
Aggressivität verwiesen und damit deutlich gemacht, dass Gewalt
konstitutiver Bestandteil menschlicher Zivilisation ist. Nur der
kulturell erzwungene Verzicht auf »Inzest, Kannibalismus und
Mordlust«, wie Freud es 1927 formulierte, scheint in dieser
Perspektive Zivilisation zu sichern, führt andererseits aber auch
zu einer ständigen unbewussten Rebellion gegen die Unterdrückung
dieser Triebwünsche. Gewalt kommt also nicht von außen, als das
Fremde und überraschend Unerklärliche. Eher scheint sie interner,
vielleicht sogar unverzichtbarer Bestandteil unserer so sehr auf
Fortschritt ausgerichteten Zivilisation zu sein. Immer schwieriger
wird es, zwischen einem Fortschritt, der von der Lebensnot
entlasten könnte, und dessen destruktiven Folgekosten zu
unterscheiden. Auch die Frage nach der Eskalation rechtsradikaler
Gewalt wirft zugleich die nach einer Zivilisation auf, die dieses
Potential hervorbringt und aktualisiert.
Unter dem Stichwort »Kultur, Kunst, Sublimierung« finden sich
Beiträge zur künstlerischen Verarbeitung von Gewaltphänomenen.
Schließlich soll das Augenmerk auf den Berufsstand der
Psychoanalytiker selbst gerichtet werden. Hier geht es um offene
oder verborgene Manifestationen von Destruktivität in der
psychoanalytischen Behandlungssituation und in der
psychoanalytischen Ausbildung.
Inhaltsverzeichnis
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Inhalt
Die Psychoanalyse im
kulturellen Kontext der Gewalt
Winfrid Trimborn: »Ich lasse mich nicht
zerstören«. Zur Dynamik von Gewalt bei narzisstischen Störungen
Benno Winker: Gewalt als Ausdruck missglückter
narzisstischer Regulation
Rainer Krause: Affektpsychologische Aspekte
menschlicher Destruktivität
Ingrid Baumert: Angst folgt auf Drohungen. Das
Unbewusste der Drohungen, deren Verkleidungen und Auswirkungen
Hildegard Adler: Gewalterfahrung im
kollektiv-kulturellen und im individuellen Gedächtis
Wulf Hübner: Angst vor Gewalt. Bemerkungen zur
Macht der Introjekte
Paul R. Franke: Liegt Sebnitz in Andorra? Gewalt,
Spaltung, Projektion und die kulturelle Macht des Klischees in den
Medien
Christoph Biermann: »Das Antlitz des Anderen« (E.
Levinas) und das »Wegsehen dieses Antlitzes des Anderen« als
Ursprung von Gewalt.
Klinische Erfahrungen und die
Geschichte des Nationalsozialismus
Reimer Hinrichs: Gibt es gesunde Gewalt?
Sozio-Psychoanalytische Beiträge
zu Terrorismus und Krieg
Stavros Mentzos: Die Psychosoziodynamik des
Krieges. Eine Alternativantwort auf die Einstein’sche Frage »Warum
Krieg?«
Vamik D. Volkan: Religiöser Fundamentalismus und
Gewalt
Vamik D. Volkan: Nach der Vertreibung. Eine
Flüchtlingsfamilie von innen betrachtet
Micha Hilgers: Das Ringen der Vernunft mit dem
totalitären Gewissen. Die Terroranschläge in den USA als Ausdruck
eines durch massive Affekte radikalisierten Über-Ichs
Selbst und
Gesellschaft: Explosionen des Kerns
Joachim Küchenhoff: Innere und äußere Gewalt. Der
Beitrag der Psychoanalyse zum Verständnis individueller
Gewaltbereitschaft und Gewaltverarbeitung im gesellschaftlichen
Kontext
Sieglinde Eva Tömmel: Identität und
»Deutsch-Sein«. Ein kulturpsychoanalytischer Beitrag zum
Verständnis der neuen rechtsradikalen Gewalt in Deutschland
Jörg Frommer: Ein psychoanalytisches Phasenmodell
des Identitätswandels im vereinten Deutschland
Hans-Dieter König: Zur Faszination rechter Gewalt
in den Medien. Ein psychoanalytischer Beitrag zur qualitativen
Erforschung des Rechtsextremismus
Georg R. Gfäller: Staatliches Gewaltmonopol,
Gewaltenteilung, Notwehr und Unterdrückung der Geschichte von
Gewalterfahrungen – Eine mögliche Ursache für Gewalt gegen »Fremde«
durch marginale Gruppen?
Hans-Jürgen Wirth: Die 68er-Generation und das
Problem der Gewalt
Joachim W. Hohl: Zygmunt Bauman und Christopher
Browning. Sozio-historische Erklärungsversuche zur
nationalsozialistischen Menschenvernichtung und ihre Konsequenzen
für die Psychoanalyse
Gudrun Brockhaus: »Kampf – wie eine Erlösung«
(Goebbels). Motive der nationalsozialistischen Erlebniswelt
Margit Venner und Uwe Wutzler: Aggressive und
kannibalische Triebimpulse im modernen Gewand der
Lebendorgantransplantation
Joachim Grefe: Krankheit – (verleugnete)
alltägliche Gewalterfahrung
Kultur, Kunst,
Sublimierung
Ricarda Elgeti: Die ich rief, die Geister, werd’
ich nun nicht los! Zur Entstehung von Gewalt aus der Kultur
Gerhard Armanski: Der gemeine Unfrieden der
Kultur. Geschichte der Gewalt in Europa
Mathias Hirsch: Die Opferung des Kindes als eine
Grundlage unserer Kultur
Jens Christian: Liebe und (Selbst-)Erkenntnis von
Gut und Böse als »Ursünden des Menschen«. Der paranoid-schizoide
Paradies-Mythos der patriarchalen Zivilisation
Niels Beckenbach: Die Stadt Dis. - Aspekte einer
Topographie der Gewalt in der ›okzidentalen‹ Zivilisation
Rudolf Walter: Gewalt und geistige Existenz. Eine
Annäherung an Werk und Lebensgeschichte des Schriftstellers Thomas
Bernhard
Gewalt in der psychosozialen
Entwicklung
Werner Bohleber: Gewalt in der Adoleszenz –
Sackgassen in der Entwicklung
Ute Benz: Gewalt in der Pubertät als
Konfliktlösung?
Thomas Auchter: Gewalt als Zeichen von Hoffnung?
Zur psychoanalytischen Theorie der jugendlichen Gewalt bei D. W.
Winnicott
Schlechte
Behandlung? Gewalt in der psychoanalytischen
Situation
Klaus Grabska: Zur Gewalt der Deutung. Über
Destruktivität in der analytischen Methode
Christoph Klotter: Gewaltimpulse bei
Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern
Autorengespräch –
Diskussionsforum
Günter Lempa im Gespräch mit Vamik D. Volkan: »Man
kann den Menschen nicht befehlen zu trauern, man muss ihnen helfen,
einen Prozess zu beginnen«