F. Morgenthaler
Psyche, 1972, 26(1), 58-77
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F. Morgenthaler eröffnet die Diskussion mit einigen Bemerkungen zum
Problem der gestörten Geschlechtsidentität bei manifest
Homosexuellen (a). Aus Erfahrungen in der psychoanalytischen
Übertragungssituation läßt sich schließen, daß eine ungleichmäßige
Entwicklung der Triebe und des Ichs in der späten präödipalen Phase
zu einer unzureichenden Integration der Gesamtpersönlichkeit führt.
M. weist darauf hin, daß die Homosexualität einen Versuch
darstellt, der sexuellen Differenzierung auszuweichen und an einem
anatomisch noch undifferenzierten Bild festzuhalten. Dies zeigt
sich an der auffälligen Neigung, praktisch alles, was mit der
sexuellen Differenzierung der Geschlechter zusammenhängt, regressiv
als bloße Machtunterschiede in den Objektbeziehungen zu erleben.
Aus dem Verlauf der Analysen wird ersichtlich, daß eine
phasengerechte Verinnerlichung der idealisierten Elternimago
mißlungen ist und eine narzißtische Störung der sexuellen Identität
vorliegt. Die autoerotischen Befriedigungen, die bei Homosexuellen
eine überaus große Rolle spielen, werden als dauernd wiederholte
Versuche verstanden, Vollkommenheit des eigenen Selbst zu
erreichen. Die Unfähigkeit, sich ausreichende narzißtische
Befriedigungen zu verschaffen, führt zu einem Leere- und
Ohnmachtsgefühl in den Objektbeziehungen. Um die Ohnmachtsgefühle
zu überbrücken, entsteht ein dauerndes Oszillieren zwischen Objekt-
und Selbstbesetzungen, das sich in der Übertragung als
Allmachts-Ohnmachts-Rollenspiel auszuwirken beginnt, wenn der
Analytiker als eine Person mit sexuellen Eigenschaften erlebt wird.
Es ist das Ziel der Analyse, diesen Patienten eine realistischere
Strukturierung ihres Körperichs zu ermöglichen, m.a.W. die
narzißtische Störung an der Übertragungsentwicklung zu ermäßigen.
In der anschließenden Diskussion (b) berichtet G. Sacerdoti über
Phantasien einer Patientin über die Geschlechtsidentität; J. S.
Kestenberg charakterisiert den Homosexuellen als ein phallisches
Baby und verweist auf die Disharmonie zwischen Sexualität und
Fortpflanzung als ergänzenden ätiologischen Faktor. W. Gillespie
berichtet über einen Patienten (eineiiger Zwilling), für dessen
Identitätsstörung Krankheit und Kränkung durch die Mutter
konstitutiv waren. I. Barande erinnert daran, daß das Scheitern der
Identifizierung mit beiden Eltern zum Verfehlen der
Geschlechtsidentität führt. Oft ist die Suche nach der wirklichen
Identität das Movens, das die Patienten in die psychoanalytische
Kur führt. Ähnlich äußert sich P. Parin, der über Änderungen des
Identitätsgefühls bei therapierten Homosexuellen berichtet. R. F.
Sterba und G. Bychowski weisen auf die Bedeutung des sozialen
Milieus für Zuschreibung und Aufrechterhaltung der
Geschlechtsidentität hin. Abschließend zieht F. Morgenthaler einige
Konsequenzen für die Behandlungstechnik.