Joachim Küchenhoff
Das Unheimliche und die Bruchlinien im Selbst - leidvoll, kreativ, weiblich, menschlich? (PDF-E-Book)
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18 Seiten, PDF-E-Book
Bestell-Nr.: 22556
DOI:
https://doi.org/10.30820/0941-5378-2021-1-9Das Unheimliche verunsichert und verfremdet das als
selbstverständlich vorausgesetzte Alltagsbewusstsein. Sigmund Freud
hat in seiner wegleitenden Arbeit zum Sandmann E.T.A. Hoffmanns
hervorgehoben, dass das Gefühl des Unheimlichen aus der Begegnung
mit den verdrängten, im Grunde gut vertrauten infantilen Komplexen
resultiert. Die vorliegende Arbeit will das Spektrum der
Interpretationsmöglichkeiten des Unheimlichen erweitern. Zunächst
wird das Phänomen des Unheimlichen beschrieben und definiert. Nach
einer ausführlichen Würdigung der Gedanken Freuds zur
triebpsychologischen Deutung des Phänomens wird das Unheimliche als
Infragestellung der Integration des Selbst in einen neuen
Zusammenhang gestellt und neu verstanden; die mit dem Unheimlichen
verbundenen Bruchlinien der (Selbst-)Erfahrung werden nacheinander
bezogen auf den Identitätszweifel, auf traumatische Erfahrungen,
die Angst vor dem Zerfall des Körperbilds, die Demarkation des
Selbst und ihre Bedrohung durch »Abjekte«. Gerade weil (und nicht
obwohl) das Unheimliche verunsichert und erschüttert, hat es eine
kreative Kehrseite, denn Kreativität ist an die temporäre
Desintegration von Erfahrungen gebunden. Der Beitrag endet mit
einer Kritik an Weiblichkeitskonzepten in der Psychoanalyse, die
das Feminine und das Unheimliche zu eng verbinden. Stattdessen wird
es als Teil der conditio humana verstanden.
Abstract:
Encountering the uncanny means to lose the everyday and
matter-of-fact approach to reality. In his pivotal interpretation
of E.T.A. Hoffmann’s Sandman, Sigmund Freud explained the uncanny
as the return of unconscious, repressed infantile complexes. The
present paper enlarges the spectrum of psychoanalytic approaches
and interpretations of the uncanny. It starts by describing and
defining the uncanny as a phenomenon. After having highlighted
Freud’s drive-psychological interpretations, the uncanny will then
be discussed using the development and integration of the self as a
starting point and linking the standstill of time, traumatic
experiences, the disintegration of the body image and abjective
anxieties following the development of the self with the affect of
the uncanny. By questioning the familiar and habitual frame of
experience, the uncanny can support creativity, as to be creative
as well presupposes to let temporarily go the well-established
modes of thinking and acting. Finally, concepts of the feminine
joining it too closely to the uncanny will be criticised, arguing
that the uncanny resides not in gender, but in human conditions.