Mathias Hirsch
Formen transgenerationaler Perpetuierung familiärer Gewalt (PDF-E-Book)
Psychoanalytische Familientherapie 2006, 7(2), Nr. 13, 101-116
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Verlag: Psychosozial-Verlag
16 Seiten, PDF-E-Book
Bestell-Nr.: 29071
Freud war Ende des 19. Jahrhunderts dem Geheimnis der Hysterie auf
der Spur. An die Stelle einer vermuteten Heredität setzte er die
»Vaterätiologie «, d. h. den realen sexuellen Missbrauch, die
»Verführung« eines Kindes durch einen nahen Verwandten, »öfter als
man denkt« durch den eigenen Vater. Mit diesem Trauma, und ein
solches Attentat ist immerein extrem destruktiver Übergriff,
besonders durch den Verrat, die Aufkündigung der
Eltern-Kind-Beziehung, muss das Kind fertig werden; mit Hilfe von
Spaltung und Verleugnung gibt es sich selbst die Schuld, hält sich
für schlecht, als wäre es selbst der Täter, um sich das Bild eines
noch immer genügend liebenden Vaters zu erhalten. Solche
Bewältigungsversuche haben den Preis der vielfältigen
selbstdestruktiven Symptome, die auf der Internalisierung der
Gewalt, der Introjektion und der Identifikation mit dem Aggressor
beruhen, wie wir es von Ferenczi (1933) gelernt haben (s.u.). Die
traumatische Verführung kann sich auch zwischen Geschwistern
ereignet haben, überlegt Freud, von denen aber regelmäßig
wenigstens ein Geschwister vorher von Erwachsenen verführt worden
war. »Der Grund zur Neurose würde demnach im Kindesalter immer
vonseiten Erwachsener gelegt, und die Kinder selbst übertragen
einander die Disposition, später an Hysterie zu erkranken.« (Freud
1896c, S. 445) Dadurch entsteht eine familiäre Häufung, in der aber
»doch nur eine Pseudo-Heredität vorliegt und in Wirklichkeit eine
Übertragung, eine Infektion in der Kindheit stattgefunden hat.«
(ebda) Sexueller Missbrauch ist also ansteckend; der »Erreger« wird
mittels Identifikation übertragen, Identifikation mit dem
Aggressor, mit dem Täter und seiner Tat, wie wir sehen werden. Das
Resultat ist das traumatische Introjekt, ein unassimilierter
Fremdkörper im Selbst, der wie ein Tumor oder ein Virus von innen
Symptome verursacht und der Gewalt, die einmal außen war,
entspricht.