Viktoria Bergschmidt
Konstruktionen »verworfener« Subjekte
Eine ethnografisch-diskursanalytische Untersuchung am Beispiel von Drogenabhängigen ohne deutschen Pass
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Buchreihe: Forschung Psychosozial
Verlag: Psychosozial-Verlag
621 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
ISBN-13: 978-3-8379-2348-3, Bestell-Nr.: 2348
Mit einem Geleitwort von Klaus-Jürgen Bruder
Drogenabhängige ohne deutschen Pass sind auch dann, wenn sie in
Deutschland aufgewachsen sind, von aufenthaltsrechtlichen Problemen
betroffen und gehören deshalb zu den verletzlichsten
Bevölkerungsgruppen. Gleichwohl bleiben sie aus dem psychosozialen
Fachdiskurs weitgehend ausgeblendet.
Hier setzt die vorliegende Untersuchung an, die ethnografische und
diskursanalytische Zugänge kombiniert. Grundlage der Studie ist die
teilnehmende Beobachtung der psychosozialen Praxis einer
Langzeittherapieeinrichtung für drogenabhängige »Migranten«. Die
komplexen rechtlichen und gesellschaftlichen Ausschlüsse, die Räume
der »Verworfenheit« bilden, werden ebenso analysiert wie die
Selbstkonstruktionen der Betroffenen, die sich in diesen
diskursiven Räumen bewegen (müssen).
Inhaltsverzeichnis
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Inhalt
Dank
Geleitwort
Einleitung: »Die sind schon fast alle tot oder abgeschoben«
1. »Drogenabhängigkeit« bei »Migrant_innen«:
Problematisierungsweisen
1.1 Die deutschsprachige
Fachdiskussion: Von der Nichtthematisierung zur
Interkulturalität
1.2 Empirische Untersuchungen – internationaler Forschungsstand
1.3 Essenzialisierung und Kulturalisierung: Kritik am
Interkulturalitätsansatz
1.4 Diskurse und lokale Praktiken: Alternative Zugänge
2. Diskurs – (Bio-)Macht – Subjekt: Theoretische und
methodische Zugänge
2.1 Theoretische Zugänge: Die diskursanalytische
Forschungsperspektive
2.1.1 Diskurs, Macht, Subjekt(ivierung)
2.1.2 Reflektierte Subjektivität: Forschen als »weiße
Deutsche«
2.1.3 Foucaults Analytik der (Bio-)Macht und das Recht
2.2 Methodenkombination: Ethnografie und Diskursanalyse
2.2.1 Die Institution Hayat: Teilnehmende Beobachtung und
Interviews
2.2.1.1 Teilnehmende Beobachtung
2.2.1.2 Experteninterviews
2.2.1.3 Selbstkonstruktionen: Narrativ-biografische Interviews
2.2.2 Gesetzliche Regulierungen: Diskursanalysen
2.2.2.1 Logik der Regulation: Gesetzestexte und ihre Kommentare
gegen den Strich lesen
2.2.2.2 Genealogie: Bio-Macht als Raster historischer
Entzifferung
2.2.3 Zur Verknüpfung von Ethnografie und Diskursanalyse:
Analytische Ebenen zur Untersuchung
»diskursiver Praktiken« 119
Teil I
»Wir sind hier nur geduldet«: Suchttherapie für »Migranten«
3. Hayat – Eine »interkulturell-sozialtherapeutische
Wohngemeinschaft«
3.1 Zur Konstituierung des
Forschungsfeldes
3.2 Gründungsgeschichte: »Ein gerechtes Angebot für
drogenabhängige Immigranten«
3.2.1 Anfänge: Ein Selbsthilfeprojekt für drogenabhängige
Immigranten aus der Türkei
3.2.2 Professionalisierung: Von der Therapeutischen Gemeinschaft
zur Sozialtherapieeinrichtung
3.3 Alltagsreglementierungen: Von der Aufnahme bis zur
Entlassung
3.3.1 Die Aufnahme
3.3.2 Die Probezeit
3.3.3 Der Tag und die Woche
3.3.4 Die Stufen
3.3.5 Die Regeln
3.3.6 Die Sitzungen
3.3.7 Die Entlassung
3.4 Nur geduldet: Die Institution und ihre Adressaten
3.4.1 Die Adressaten: Statistische Daten – und ihre
Hintergründe
3.4.2 Die Institution: Nur geduldet?
3.5 »Interkulturalität« – aber bitte ohne Geduldete?
4. Im Spannungsfeld suchttherapeutischer Ziele und
ausländerrechtlicher Regulationen
4.1 Strukturelemente
der psychosozialen Arbeit mit drogenabhängigen »Migranten«
4.2 Therapiemachen mit Ausweisung: Eine besondere
Herausforderung
4.2.1 Die Ausweisung als Hürde für einen erfolgreichen
Therapieverlauf
4.2.2 »Nicht-Wahrhaben-Wollen« der Ausweisung
4.2.3 »Völliges Beherrschtsein« von der Ausweisung
4.2.4 Die drohende Abschiebung als zusätzlich motivierendes
Druckmittel?
4.3 Arbeiten im Spannungsfeld
4.3.1 »Ich kann nicht immer Mutter Teresa sein«: Artikulationen
»objektiver Überforderung«
4.3.2 »Ich wünsche mir eine Suchthilfe, die zwischen Deutschen und
Migranten gar nicht unterscheidet«: Veränderung der
Rahmenbedingungen statt hilfloser Einzelfallarbeit
4.3.3 »Die Abschiebung [ist] ja nicht einfach so aus dem Boden
gekommen«: Verarbeitungsstrategien
4.4 »Diese netten, lieben Deutschen«: Forschen im Spannungsfeld
4.4.1 Produktive Irritationen: Strukturreduktionismus und das Drama
der Emigration
4.4.2 Zur diskursiven Positioniertheit als weiße, deutsche
Psychologin und Forscherin
4.5 Zusammenfassung
5. Narrativ-biografische
Selbstkonstruktionen
5.1 Erol: Eine Tasche, die zur
Verdammnis wird
5.1.1 Zusammenfassung der Narration entlang der Hauptsequenzen
5.1.1.1 Eröffnungssequenz: Der abgeschobene und verstorbene
Vater
5.1.1.2 Kindheit, Schule, familiäre Situation: Es gab immer
ordentlich Schwierigkeiten
5.1.1.3 Erster Cannabiskonsum, Probieren von Heroin und der erste
Gefängnisaufenthalt
5.1.1.4 Crack-Abhängigkeit: Eine Tasche, die zur »Verdammnis«
wird
5.1.2 Selbstreflexion: Diskursivierungen der weißen
Subjektposition
5.1.2.1 Eingangssequenz: Positioniertheit als weiße Deutsche
5.1.2.2 »Türkische Herkunft«: Fragen – und Antworten
5.1.3 Analyse und Interpretation der Kernnarration
5.1.3.1 Verlauf des Erzählflusses
5.1.3.2 Inhaltlicher und formaler Aufbau der Narration
5.1.3.3 »Und auf einmal war da’n deutscher Mann«: Das
Hamlet-Motiv
5.1.4 Selbstkonstruktionen
5.1.4.1 Substanzabhängigkeit: Nicht Heroinjunkie, sondern »Kokser«
sein
5.1.4.2 Männlichkeitskonstruktionen: Sprechen über Familie,
Väter, Geld und Gewalt
5.1.4.3 Türkische Herkunft: Nicht so sein wie die anderen Klienten
der Einrichtung
5.2 Algin: »Ich hab vieles zum Leiden gehabt«
5.2.1 Zusammenfassung der Narration entlang der Hauptsequenzen
5.2.1.1 Eröffnungssequenz: »Vom Gefühl her so fremd«
5.2.1.2 Kindheit, Schule, Freundschaft und die erste
Liebesbeziehung
5.2.1.3 Der erste, unwissentliche Heroinkonsum aus Liebeskummer
5.2.1.4 Schwierige Frauenbeziehungen, die enttäuschte Suche nach
Brüderlichkeit und die Unklarheit der eigenen Zugehörigkeit
5.2.2 Reflexion und Analyse diskursiver Positionierungen und
Positioniertheiten
5.2.2.1 Anfangspassage: »Ich weiß nicht, was man daraus Folge
ziehen kann«
5.2.2.2 Stockendes Erzählen und Versuche, die Erzählung in Gang
zu bringen
5.2.2.3 Diskurspositionsabhängige Selbstbezeichnung als
»türkisch« bzw. »kurdisch« und die Schwierigkeit,
Rassismuserfahrungen zu artikulieren
5.2.3 Rekonstruktion und Interpretation der Kernnarration
5.2.3.1 Erzählfluss: Serielle Aufzählung lebensgeschichtlicher
Ereignisse und Elaboration bedeutsamer Themen
5.2.3.2 Die Kernnarration und ihr inhaltlicher und formaler
Aufbau
5.2.3.3 Das Arabesk-Motiv: Fremdheit, Liebesschmerz, der Glaube an
die »heile Welt« und das Gefallen-Haben am Leiden
5.2.4 Selbstkonstruktionen
5.2.4.1 Substanzabhängigkeit: »Ich kannte nur Spritze, is
tödlich«
5.2.4.2 Männlichkeitskonstruktionen: Frauen- und Vatergeschichten
und die Suche nach Brüderlichkeit
5.2.4.3 »Kurdisch-alevitischer Ursprung«: Nicht-ethnisierende
Konstruktionen
5.3 Zusammenfassung
6. Subjektivierende Disziplinierungen
6.1 Der
Alltag: Disziplinar- und Selbsttechnologien
6.2 Die Sitzungen: Konfrontation mit sich selbst
6.3 Psy-Diskurse oder: Wie die Klienten zur Selbsterkenntnis
geführt werden
6.4 Biografische Narrationen, Selbsterkenntnis und die Bezogenheit
auf den »Anderen«
6.5 Therapie statt Strafe: »Härter als Knast«
6.6 Disziplinar- und Pastoralmacht: Technologien zur Hervorbringung
»drogen-« und »straffreier« Subjekte
6.7 Ausblick: Im »Außen« des Kerkernetzes
Teil II
Logik und Genealogie der Regulation
7. Leben, das weniger zählt: Zur diskursiven Regulierung
»ausländischer Drogenabhängiger«
7.1
Diskursverschiebungen und signifikante Grenzziehungen
7.1.1 Diskursverschiebungen: Von der Strafe zur Therapie
7.1.2 Zur Konstruktion des primär betäubungsmittelabhängigen
BtM-Straftäters auf der Folie des »gewissenlosen gewinnsüchtigen
Dealers«
7.2 »Therapie statt Strafe« (§35 BtMG): Ein- und Ausschlüsse
7.2.1 Der Diskurs der Inklusion
7.2.2 Der Diskurs des Ausschlusses
7.3 Die der Rehabilitation dienende Behandlung: Ein- und
Ausschlüsse
7.3.1 Der sozialrechtliche Diskurs der Inklusion
7.3.2 Ausschlüsse von Betäubungsmittelabhängigen ohne deutschen
Pass
7.4 Das Nichtgesagte des Inklusionsdiskurses
8. Logik der Regulation: Ausweisung wegen Gefährdung der
»Volksgesundheit«
8.1 BtMG und AufenthG: Zur doppelten
Regulation »ausländischer Drogenabhängiger«
8.1.1 Betäubungsmittel- und Aufenthaltsgesetz: Synopsis
8.1.1.1 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG)
8.1.1.2 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die
Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz)
8.1.2 Freiheitsstrafe zum Schutze der »Volksgesundheit« (BtMG)
8.1.3 Ausweisung wegen Beeinträchtigung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung (AufenthG)
8.2 Überschneidungen: Ausweisung wegen unerlaubten BtM-Umgangs
8.3 Gegen den Strich gelesen: Ausländer als Gefährdung der
deutschen Volksgesundheit
9. Abwehr der »Degenerationsgefahren«: Genealogie der
Betäubungsmittelregulierung
9.1 Formierung der
Regulierung des internationalen und nationalen
Betäubungsmittelverkehrs
9.1.1 »Schutz der unzivilisierten Rassen«: Anfänge der
internationalen Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs
9.1.2 Bekämpfung der »Suchten als solche«: Von den Kaiserlichen
Verordnungen zum OpiumG 1929
9.2 Sucht und Degeneration: Zur Konstruktion »gefährlicher«
Substanzen und Subjekte
9.2.1 Alkohol, Degeneration und Keimschädigung im Kaiserreich
9.2.2 »Trunksucht«: Vom Laster zur (Erb-)Krankheit und von der
Behandlung zur Prävention
9.2.3 Vom »kultivierten« Morphiumsüchtigen zum »degenerierten«
Rauschgiftsüchtigen
9.2.4 »Echte Süchtige« und »Rauschgiftsucht« als ein »für die
Gesellschaft gefährlicher Zustand«
9.3 Zusammenfassung: Abwehr der »Degenerationsgefahren«
10. Abwehr »unerwünschter Elemente«: Genealogie
ausländerrechtlicher Regulationen
10.1 Abwehr »ethisch
unterwertige[r] Volksteile«: Die Ausweisung im Kaiserreich
10.1.1 Die Ausweisung – von einer Strafmaßnahme zu einem
bevölkerungspolitischen Instrument
10.1.2 Abwehr von jüdischen Pogromflüchtlingen und
»Polonisierungsgefahren«
10.1.3 Das preußische System der »reglementierten
Arbeitskraftzufuhr«
10.2 Verfestigung des exklusiven ius sanguinis: Das Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913
10.2.1 Abwehr der »slavisch-semitischen Bevölkerung«: Die Debatte
um die Reform des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von
1870
10.2.2 Das RuStAG 1913: Verfestigung des exklusiven ius
sanguinis
10.3 Im Dienste einer »gesunden Bevölkerungspolitik«: Die
Reglementierung von »Ausländern« in der Weimarer Republik
10.3.1 Förderung der Volkskraft: (Zwangs-)Arbeit, (Rassen-)Hygiene
und koloniale Diskurse
10.3.2 Einwanderung und Einbürgerung: Die »Volksnation« und das
Primat der »Deutschstämmigkeit«
10.3.3 Gesundheit und Bevölkerung: Die preußische
Ausländerpolizeiverordnung von 1932
10.4 Zusammenfassung: Abwehr »unerwünschter«
Bevölkerungselemente
Teil III
Konstruktionen »verworfener« Subjekte
11. Gefährlichkeitskonstruktionen: Die Thematik des
Bluts
11.1 Gesetzesformierungen: Abwehr innerer und
äußerer Gefahren für die Bevölkerung
11.1.1 Disziplinierung und Regulierung der Bevölkerung
11.1.2 Abwehr innerer und äußerer »Gefahren«für die
Bevölkerung
11.1.3 Degeneration, Hygiene, Vererbung, Rasse: Die »Thematik des
Bluts«
11.2 (Dis-)Kontinuitäten: ius sanguinis, Volksgesundheit und die
»Thematik des Bluts«
11.2.1 Die »Thematik des Bluts« in den Gesetzen nach 1945
11.2.2 Zäsursetzungen und die »Thematik des Bluts«: Der Diskurs um
den Diskurs der »Rasse«
11.3 »Gefährliche« Subjekte: Mediale Repräsentationen und
Kollektivsymbolik
11.3.1 »Ausländer« als Verführer und »Dealer«: Die
Boulevardpresse 1957 bis 1987
11.3.2 Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (1978) – ein Bestseller
11.3.3 Kollektivsymbolik: Die ikonische Ebene der diskursiven
Gefährlichkeitskonstruktionen
12. Bio-Macht und die liberale Regierung »ausländischer
Drogenabhängiger«
12.1 Verschärfungen: »Nach der Therapie wird er aber sofort
abgeschoben«
12.2 Logik und Genealogie der Regulation
12.2.1 Logik der Regulation: Präventive Gefahrenabwehr
12.2.2 Genealogie: Zur »Kolonisierung« des Rechts durch die
(Bio-)Macht
12.3 Die liberale Regierung »gefährlicher« Subjekte und das
Recht
12.3.1 Zäsursetzungen und die liberale Gouvernementalität
12.3.2 Taktische Einsätze: Der Diskurs des »Rechtsstaats«
13. Konstruktionen »verworfener« Subjekte
13.1
Zur »Verworfenheit« ausgewiesener Drogenabhängiger
13.1.1 »Das Schlimmste, das ich je gesehen habe«: Angst vor
Abschiebung und Tod
13.1.2 Lebende Leichname: Heimsuchungen durch das Verworfene
13.2 Zur Konstruktion und Navigation von Zonen der
Verworfenheit
13.2.1 Horror, Hass und Ekel: Gefürchtete Identifizierungen
13.2.2 Ikonografien der Verworfenheit: Wir Kinder vom Bahnhof
Zoo
13.2.3 »Ungehöriges Eindringen« und die »Thematik des Bluts«
13.2.4 Fazit: Ein nicht-essenzialisierender Zugang zur
Verworfenheit
13.3 Von der »Verwerfung« zum »gefährdeten Leben«
14. Zusammenfassung und Ausblick
Literatur