Dirk Fabricius
Justitia, Freud und die Dichter
Rechtspsychoanalytische Betrachtungen literarischer Texte

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Buchreihe: Imago
Verlag: Psychosozial-Verlag
237 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen im Juni 2012
ISBN-13: 978-3-8379-2149-6, Bestell-Nr.: 2149
Ausgehend von literarischen Texten, wie William Shakespeares
Der Kaufmann von Venedig oder Bernhard Schlinks Der
Vorleser, geht der Autor mit psychoanalytischen Mitteln
rechtlichen Fragen nach und eröffnet der Psychoanalyse so eine
rechtliche Perspektive. Seine Analysen fördern unter anderem
zutage, dass »Sozialisationsverbrechen«, die Kindern folgenschwere
Schäden zufügen, häufig gesellschaftlich verleugnet werden, weshalb
rechtlich nicht auf sie reagiert werden kann.
Psychoanalytisch betrachtet, entpuppen sich diese Abwehrvorgänge
als Produkt unserer modernen Gesellschaft. Voraussetzung für eine
»fördernde Umwelt« (Winnicott) wäre eine demokratische,
Menschenrechte respektierende Kultur, in der es nicht länger
notwendig ist, auf Schutzmechanismen wie Verleugnung und Projektion
zurückzugreifen. Aus dem Dialog zwischen Recht, Psychoanalyse und
Literatur ergeben sich Folgerungen für die soziale und politische
Ordnung im demokratischen Rechtsstaat.
Inhaltsverzeichnis
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Inhalt
1 Einleitung
2 Schuld und ihre empirischen Grundlagen
Franz Kafka: Der Prozeß
2.1
Ist die Psychoanalyse für die Kriminalwissenschaften relevant?
2.2 Die prekäre Situation des Schuldprinzips
2.2.1 Die Entleerung des Schuldprinzips in der
Strafrechtsdogmatik
2.2.2 Das Ignorieren des Schuldprinzips in der Kriminologie
2.2.3 Warum Kriminalwissenschaften auf das Schuldprinzip nicht
verzichten müssen und nicht verzichten dürfen
2.2.3.1 Normative Konflikte: Widersprüchliche Anforderungen,
Dilemmata und das Verbrechen als Ausweg
2.2.3.2 Die Bewältigung normativer Konflikte durch das Individuum
verlangt ein »Inneres normatives System«
2.2.3.3 Entwicklung, Struktur und Funktionieren des Inneren
normativen Systems sind der empirischen Forschung
zugänglich
2.3 Schuld in der Psychologie/der
Psychoanalyse
2.4 Ankerpunkt: Schuldgefühle als »Messinstrument«
2.4.1 Die Entwicklung der Schuldfähigkeit des Individuums
2.4.1.1 Über-Ich-Entwicklung: Einsicht ins Unrecht und
Steuerungsfähigkeit
2.4.1.2 Das heteronome Innere normative System (InS)
2.4.1.3 Das autonome Innere normative System (InS)
2.4.1.4 Gewissensfreiheit
2.4.1.5 Meinungs- und Ausdrucksfreiheit
2.4.1.6 »Niemand kann mir sagen, was hier das Richtige ist« –
Respekt vor dem anderen
2.4.1.7 Die soziale Organisation: Abwanderung und Widerspruch
2.4.1.8 Versöhnung
2.4.2 Die Wirkung der Strafe auf die
Entwicklung des Inneren normativen Systems (InS)
2.4.2.1 Zum Begriff der Strafe
2.4.2.2 Wirkungen »zugefügter aversiver Reize«
2.5 Zur
Unvereinbarkeit von Schuld und Strafe
3 Leib-Eigenschaften: Gestörte Entwicklung der
Einwilligungsfähigkeit als Basis paternalistischer Eingriffe
William Shakespeare: Der Kaufmann von
Venedig
3.1 Einleitung: Habeas Corpus
3.1.1 Eigentum an Menschenfleisch
3.1.2 Paternalistische Elemente in der Demokratie
3.1.3 Einverleibungen und Leibeigenschaft
3.1.4 Die These
3.2 Störung der Entwicklung der Einwilligungsfähigkeit
3.2.1 Einwilligung und Einverständnis
3.2.2 Einwilligungsfähigkeit
3.2.3 Störung – Störung der Entwicklung
3.2.4 Zwei Modelle der Entwicklung, zwei Konzepte von Störung
3.2.4.1 Finanzen – Körper
3.2.4.2 Religion – Sex
3.2.4.3 Das Fremdbestimmungs- und das Selbstbestimmungsmodell der
Entwicklung
3.2.5 Die zu Körpern gemachten Werte
3.2.5.1 Fleischeslust: Zärtlichkeit und Leidenschaft
3.2.5.2 Seelenleid und Körperpein: Das sündige Kind als elterliche
Projektionsfläche
3.2.5.3 Entwicklung: Reifung im Übergangsraum
3.2.5.4 Fazit: Jede Entwicklung ist auch sexuell
3.2.5.5 Schande
3.3 Hilflose Lage und erlernte
Hilflosigkeit
3.3.1 »Hilflose Lagen«
3.3.2 Erlernte Hilflosigkeit: Von einer guten Umwelt keinen
Gebrauch machen können
3.4 Sozialisationsverbrechen
3.4.1 Ethnische Störung und entnanntes Verbrechen
3.4.2 Sozialisationswohltaten
4 »Er ist ja nur …«: Identität, Verrat und Recht
Khaled Hosseini:
Drachenläufer
4.1 Identität
4.1.1 Individuelle Identität
4.1.1.1 Biologische Identität und biologischer
Individualismus
4.1.1.2 Gesellschaftlicher Individualismus, psychische Identität
und konformistische Verallgemeinerung
4.1.2 Kollektive
Identität
4.1.2.1 Kollektive Identität und kollektive Persönlichkeit
4.1.2.2 Phänomenologische Betrachtung kollektiver Identitäten:
Inhaltliche und formale Aspekte
4.1.2.3 Funktionen
4.1.2.4 Prozeduren
4.1.2.5 Abwehrfunktionen kollektiver Identität und ihre
individuellen wie kollektiven Kosten
4.1.3 Gegengifte
4.1.3.1 Multiple kollektive Identitäten
4.1.3.2 Verrechtlichung
4.2 Verrat
4.2.1 Ursprüngliches Verhältnis: Familie
4.2.2 Treueverhältnisse in der Umwelt
4.3 Recht
5 Die psychosexuelle Genese der Rechtlosigkeit
Clarice Lispector: Die
Sternstunde
5.1 Einleitung
5.2 Die Autorin und ihre inneren Objekte im virtuellen sozialen
Raum
5.2.1 Klassenverhältnisse
5.2.2 Geschlechterverhältnisse
5.2.3 Generationenverhältnis
5.3 Konklusionen
5.3.1 Leerstellen
5.3.2 Aufruf zur Theoriebildung: Wahrheit der Dichtung, Zeit und
Zeitlosigkeit
5.3.3 Theorie der Rechtsentstehung – nicht ohne Freud, nicht ohne
Marx
5.4 Die Wahrheit des Rechts liegt in seinem alltäglichen
Gebrauch
5.5 Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
5.5.1 Brüderlichkeit – Die Kunst, den Bruder zum Freund zu
machen
5.5.2 Freiheit: nicht ferngesteuert, auch von innen nicht
5.5.3 Gleichheit – Die Kunst der vaterlosen Gesellschaft
5.5.4 Freiheit, Gleichheit, Solidarität unromantisch betrachtet
5.5.4.1 Edle Wilde? Angeborene Abwehrmechanismen gegen
Unfreiheit, Ungleichheit und die panische Angst vor Ausschluss
5.5.4.2 Patriarchat und Sklaverei – Entsolidarisierung,
Ungleichheit und Freiheitsbeschränkung auf großer Stufenleiter
5.5.4.3 Wenn wir alle gleich sind – wo ist Vater? Was es heißt,
erwachsen zu sein
5.6 Programmatisches
5.6.1 Papa(mobil) in Technicolor – Fernsteuerung zu
Entsolidarisierung, Unfreiheit, Ungleichheit
5.6.2 Freudomarx-Programm – Raubkopie der Dünndruckausgabe
5.6.3 Das Freudomarx-Programm weiterentwickeln
6 Die Zerstörung des Gemeinwesens durch individuelle und
kollektive Abwehr
William Golding: Herr der
Fliegen
6.1 Einleitung
6.1.1 Die Geschichte – tendenziös nacherzählt
6.1.2 Methodisches Vorgehen
6.1.3 Theoretischer Hintergrund
6.2 Goldings Mikrowelt: dichte Beschreibung
6.3 Abwehr, Abgewehrtes und Regression
6.3.1 Traumata, aus der Vorzeit
6.3.2 Psychosoziale Abwehr
6.3.2.1 Menschlicher Makel und masochistisches Angebot:
Piggy
6.3.2.2 Der isolierte, autonome Seher: Simon
6.3.2.3 Der auf dem Rahmen tanzt: Maurice, der Gaukler
6.3.2.4 Perversion
6.3.3 Carne, Krieg und Religion:
Repressive Entsublimierung
6.3.3.1 Uniform und Karneval
6.3.3.2 Religion
6.3.3.3 Technik: Prometheus in dionysischem Gewaltrausch
6.3.3.4 Krieg
6.4 Modellvalidierung
6.5 Schlussbemerkung
7 Psychopathen auf die Bühne? Verbrechen, Kunst und
Psychoanalyse
William Shakespeare:
Hamlet
7.1 Freuds Antworten
7.1.1 Der wesentliche Inhalt des Textes
7.1.2 Nicht abartig: Absage an den gemeinen Psychopathiebegriff
7.1.3 Wirkungen der Bühne und wie sie erzielt werden
7.1.3.1 Verderbliche Medien
7.1.3.2 Läuterungsprozesse am Zuschauer oder Patienten durch
Dramatiker oder Psychoanalytiker
7.1.3.3 Reinigung der Affekte: Abfuhr oder Sublimierung
7.1.3.4 Freiheitsdurst – Verdrängen, unterdrücken oder Wege suchen,
ihn zu stillen?
7.2 Tyrannenmord bei psychischer
Gesundheit?
7.2.1 Der psychopathische Charakter der Charaktere
7.2.2 Staatsverfassung, Gesetz und Selbsthilfe
7.3 Bühnen und andere Spielräume
7.4 Positive Generalprävention durch Psychopathen auf der
Bühne?
8 Entsinnlichung: Der alphabetische Fluch
Bernhard Schlink: Der
Vorleser
8.1 Einleitung
8.1.1 Der Vorleser – kurz nacherzählt
8.1.2 Gedankengang
8.2 Schädigung und Leidzufügung im Roman
8.2.1 Mögliche verbrecherische Handlungen von Hanna Schmitz
8.2.2 Freiheitsberaubung durch den Vorsitzenden Richter
8.2.3 Michael Berg
8.2.3.1 Beihilfe durch Unterlassen zur Freiheitsberaubung
8.2.3.2 Beteiligung an der Selbsttötung durch
Nichthinderung
8.2.4 Fazit
8.3 Lesen, Sprechen, Schreiben
8.3.1 Vom Vorlesen und Verlesen
8.3.2 Analphabetismen
8.4 Kriminologie der Verbrechen im Roman
8.5 Die Unfähigkeit zur Diskontinuität
8.5.1 Aufklärungshindernisse
8.5.2 Kontinuierliche Konstanten
8.5.2.1 (Er-)Findung von »Schuldigen«
8.5.2.2 Überdauernde Merkmale von Institutionen
8.5.2.3 Induktion einer normotischen Störung
8.5.3 Gehorsam
und Konformität in Institutionen als Quelle der Störung von
Wahrnehmung, Unrechtsbewusstsein und Steuerungsfähigkeit
8.5.3.1 Recht, Gesetz und Institutionsnormen
8.5.3.2 Innere und äußere Normen – Befolgung und
Bruch
8.5.4 Institution und Alphabetisierung
8.5.4.1 Schreibtischtäter
8.5.4.2 Akten
8.5.4.3 Vollstrecker: Täter vor Ort
8.6
Schlussbemerkung
Literatur
Register
Rezensionen
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Freiburger literaturpsychologische Gespräche. Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse, Bd. 33, 2014
Rezension von Aldo Legnaro
»Den Zusammenhängen von Kunst, Verbrechen und Psychoanalyse spürt der Autor im Kapitel über Shakespeares Hamlet nach, wobei ihn besonders interessiert, ob im Sinne einer positiven Generalprävention vom Theater eine kathartische Wirkung erwartet werden könne…« [mehr]
www.socialnet.de
Rezension von Dr. phil. Gernot Hahn
»Ein wertvolles Buch, dessen differenzierte und schonungslose Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse verdeckte Konflikte offen legt. Die ausgewählten literarischen Texte spiegeln diese Konflikte in konzentrierter Form, welche Fabricius aufgreift und entschlüsselt…« [mehr]