Rosenkötter, L., C. de Boor, Z. Erdely und I. Matthes

Psychoanalytische Untersuchungen von Patientinnen mit funktioneller Amenorrhoe

Psyche, 1968, 22(9-11), 838-860

Cover Psychoanalytische Untersuchungen von Patientinnen mit funktioneller Amenorrhoe

EUR 5,99

Sofort lieferbar.
Lieferzeit (D): 2-3 Werktage

Verlag: Klett Cotta/Psychosozial-Verlag

Bestell-Nr.: 53455

Bericht über psychoanalytische Beobachtungen an 57 Frauen mit primärer oder sekundärer Amenorrhoe und Oligomenorrhoe, von denen 53 von der endokrinologischen Abteilung der Universitäts-Frauenklinik Frankfurt/M. überwiesen worden waren. Patientinnen, bei denen die Amenorrhoe die Folge einer anderen organischen Erkrankung oder Begleiterscheinung einer schweren psychischen Erkrankung wie z.B. psychotische Depression oder Anorexia nervosa war, wurden in diese Untersuchung nicht einbezogen. Das Material stützt sich auf 57 psychoanalytische Interviews, 23 projektive Tests (Rorschach und ORT), 3 Psychotherapien und eine Psychoanalyse. Eine beträchtliche Zahl von Patientinnen (34) war in den Interviews affektiv kaum erreichbar; wir fanden eine Übereinstimmung zwischen der Kontaktfähigkeit der Patientinnen im Interview und ihrer Fähigkeit, emotionale und zwischenmenschliche Konflikte wahrzunehmen. 35 der 57 Patientinnen gaben an, sexuelle Beziehungen zu haben oder gehabt zu haben. Von diesen waren 27 verheiratet. Diese Zahlen weisen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe, keine großen Abweichungen vom Erwartungswert auf. Hieraus wie aus aus dem Fehlen ausgesprochen viriler und phallischer Frauen in dieser Beobachtungsgruppe kann geschlossen werden, daß die Amenorrhoe nicht als somatischer Ausdruck einer Ablehnung der weiblichen Rolle gedeutet werden darf. Obwohl wir nur in wenigen Fällen Angaben über die Orgasmusfähigkeit der Frauen erhielten, haben wir Hinweise darauf, daß amenorrhoische Frauen im allgemeinen frigide sind. Unter der Gesamtzahl von 57 Frauen befanden sich nur 9 Mütter mit insgesamt 11 Kindern. Diese Zahl ist in Anbetracht der Tatsache, daß nur 4 Patientinnen jünger als 18 Jahre waren, sich das Lebensalter der anderen Patientinnen jedoch auf 18 bis 36 Jahre erstreckte, außerordentlich gering. Nur eine Mutter ließ im Interview eine gute affektive Beziehung zu ihrem Kind erkennen; alle Patientinnen erlebten die Mutterschaft als negativ und konflikthaft. Die Ehen der 27 verheirateten Frauen waren im allgemeinen bemerkenswert stabil (zwei Scheidungen, zwei unglückliche Ehen). Die anderen boten häufig ein übereinstimmendes Bild eines geschützten Daseins in ordentlichen Wohnungen mit mütterlich-fürsorglichen Ehemännern, ein Zustand, den wir als prägenitales Paradies bezeichnet haben. Bis auf 3 Psychose-Grenzfälle waren bei den untersuchten Frauen die adaptiven Ich-Funktionen nicht beeinträchtigt. Sie bewahrten vielmehr ihr psychisches Gleichgewicht durch eine starre Charakterabwehr mit weitgehender Verdrängung von Trieben und Affekten unter der Herrschaft eines strengen Über-Ichs und eines überhöhten, reinen Ich-Ideals, welche Konformismus, Vermeidung von Konflikten und Verbleiben in kindlicher Abhängigkeit von einer Elternfigur forderten; die letztere wurde häufig vom Ehemann repräsentiert. Mit gebotener Vorsicht in bezug auf die Spezifität psychosomatischer Symptome schließen wir, daß die unbewußte Bedeutung der Amenorrhoe mehr Vermeidung der Mutterschaft als Ablehnung der weiblichen Rolle im allgemeinen ist.