Rose Redding Mersky Burkard Sievers
Die Ökonomie der Vergeltung: Einige Überlegungen zur Ätiologie und Bedeutung des ›Geschäfts der Rache‹ (PDF-E-Book)
Freie Assoziation 2004, 7(2), 65-92
EUR 5,99
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Verlag: Psychosozial-Verlag
28 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen im Juni 2004
Bestell-Nr.: 21031
Rache und Vergeltung sind ebenso Teil der Menschheitsgeschichte wie
der alltäglichen Erfahrung; sie sind ein zentrales Thema der
Weltliteratur, der Musik, von Theaterstücken und Filmen. Rache kann
als eine Abwehr gegen Vernichtungsängste verstanden werden, die mit
der Reaktivierung von Unrechtserfahrungen und Verlusten im Leben
eines Systems verbunden sind. Sie sind ein Zeichen für die
Unfähigkeit, Schuld anzuerkennen sowie Hass und Liebe zu
integrieren; sie beruhen auf dem Wunsch, ›Wiedergutmachung‹ durch
Vergeltung zu erzielen. Insofern als die direkte und offene
Ausübung von Rache und Gewalt weithin tabu ist, wird Rache in der
Gesellschaft wie in Organisationen heutzutage überwiegend
verleugnet oder kaschiert. Trotz dieser Verleugnung sind jedoch die
damit einhergehenden Gefühle und der Wunsch nach Verfolgung real.
Das führt dazu, dass Rachegelüste und -akte oft unbewusst und nicht
selten heimlich oder auf raffinierte Weise ausgeübt werden. Ebenso
wie Gewalt als ein Versuch verstanden werden kann, Sterblichkeit zu
überwinden, kann Rache als der gewalttätige Versuch gesehen werden,
die eigenen Todesängste durch die mögliche Vernichtung des Anderen
zu verleugnen. In dem Maße, wie Organisationen nicht in der Lage
sind, die Schuld für ihre Aggressivität, ihren Sadismus und ihre
Destruktivität anzuerkennen, wird die tatsächliche Erfahrung von
Ungerechtigkeit, Verlust und Verletzung innerhalb der Organisation
nach außen projiziert. Dadurch wird der ›Andere‹ zu einem ›bösen
Objekt‹ gemacht, das dann entsprechend beschuldigt und verfolgt
werden kann. Diesem Beitrag liegt die Arbeitshypothese zugrunde,
dass die psychoanalytische Sicht der Rache die sozialen
Implikationen der Vergeltung nicht hinreichend berücksichtigt. Aus
einer sozioanalytischen Betrachtungsweise wird Rache als
psychosoziale Dynamik und ›kollektives‹ Phänomen deutlich, das sich
auf eine Gemeinschaft oder Polis von miteinander in Beziehung
stehenden Menschen bezieht. Rache und die damit einhergehende
Aggressivität und Vernichtung müssen daher im sozialen – wie im
politischen und ökonomischen – Kontext oftmals hinter einer
überzeugenden Logik von Rationalität, Gerechtigkeit und Konkurrenz
verborgen werden. Damit stellt sich die Frage, wie die mit Rache
und Vergeltung einhergehenden Gefühle und Handlungen contained,
aufrechterhalten und ›verdaut‹ werden und wie sie auf Seiten des
Individuums, der Organisation, der Wirtschaft und der Gesellschaft
zu Tage treten. Im letzten Teil werden wir expliziter auf den
Zusammenhang von Rache und Ökonomie eingehen, wobei deutlich werden
wird, dass Rache eine grundlegende Dynamik der gegenwärtigen
Wirtschaft ist.
Abstract:
Throughout the history of mankind, revenge and vengeance have been
deeply ingrained in the social fabric and have been richly
portrayed in literature, music, drama, and film. Vengeance can be
understood as a defence against annihilation anxieties, stimulated
by the reactivation of injuries and losses experienced earlier in
the lifetime of a system, fed by an institution’s inability to
acknowledge guilt and to integrate love and hate, and driven by the
desire for ›repair‹ via retaliation. As open and direct acts of
both revenge and violence are largely taboo, they are broadly
denied in contemporary society at large and in organizations in
particular. Despite that denial, the underlying feelings and the
desire to persecute remain real. Thus revenge often is wreaked
unconsciously by sophisticated and hidden means. In the same way
that violence can be understood as an attempt to overcome
mortality, vengeance can be viewed as the violent attempt to deny
mortal fears and anxieties through the (potential) annihilation of
the Other. To the extent that organizations are unable to
acknowledge guilt for their aggression, sadism and destructiveness,
the actual experience of injustice, loss and injury within the
organization is projected outside, thus turning the ›Other‹ into an
evil object which can then be blamed or persecuted. The paper is
guided by the working hypothesis that the psychoanalytic
perspective on vengeance does not sufficiently take into account
the social understanding of vengeance. From a socio-analytic
perspective, vengeance appears as a psychosocial phenomenon and
dynamic of the collective, i.e. the community or polis of related
people. Vengeance in social (political and economic) contexts and
its inherent aggression and annihilation often must be hidden
behind an apparent logic of rationality, justice and competition.
The question that presents itself is: how are feelings and actions
related to revenge and vengeance actually contained, maintained and
›digested‹ and how are they expressed individually,
organizationally, societally and economically? In the last section
we illuminate some ways that vengeance is a constituent dynamic of
contemporary economy.