Rezension zu Warum Singen glücklich macht
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Rezension von Tobias Kolb
Campus-Leben
Singen macht glücklich
Der Oldenburger Musikwissenschaftler Gunter Kreutz untersucht in
seinem aktuellen Buch, wie heilsam sich das Singen auswirkt – und
warum es eine vertane Chance ist, wenn man damit aufhört
Irgendwann hören wir einfach auf zu singen. Irgendwann im
Kindesalter. So zwischen dem Kindergarten und der Grundschule. »Als
Baby lernen wir vokal aktiv zu sein, indem wir schreien und singen.
Dadurch erzielen wir bei unseren Eltern eine Reaktion. Sie kümmern
sich um uns. Wir verbinden mit unserem Singen eine direkte positive
Erfahrung«, so der Oldenburger Musikwissenschaftler Prof. Dr.
Gunter Kreutz.
Diese Erfahrungen begleiten uns durch das Kindesalter. »Im Laufe
der Jahre werden wir sprachmächtiger und stellen fest, dass wir
bestimmte Reaktionen durch bloßes Reden erreichen können.« Unsere
Leidenschaft für das Singen geht zurück, bis wir sie allmählich
ganz verlieren. Eine Entwicklung, die Kreutz mit Misstrauen
betrachtet. In seinem kürzlich erschienenen Buch »Warum singen
glücklich macht« setzt er sich mit den positiven Aspekten des
Singens auseinander.
Kreutz‘ Buch ist die erste umfassende Analyse, die
nichtprofessionelle Sänger in den Mittelpunkt rückt. »Mir geht es
darum, das Singen vom Menschen aus zu denken«. Die aktuelle
Musikwissenschaft stelle oftmals eine Partitur, eine Gesangstechnik
in das Zentrum ihrer Forschung. Ihn interessiere vielmehr, was das
Singen mit dem Menschen und seinem Befinden mache. Um dies zu
erfahren, hat Kreutz hunderte wissenschaftliche Publikationen und
Essays ausgewertet und für sein allgemeinverständliches Buch neu
geordnet.
Kreutz verweist auf positive gesundheitliche Wirkungen sowie auf
die kindliche Entwicklung. Musikalische Früherziehung durch Singen
kann beispielsweise bei dem Spracherwerb so effektiv sein wie ein
Sprachtraining. Auch zur Vorbeugung und gar bei der Behandlung
chronischer Lungenerkrankung kann Singen effektiv sein.
Vor allem dem Chorsingen spricht Kreutz einen großen Nutzen für
unsere Gesundheit mit gesellschaftlicher Tragweite zu. Das konnte
er bereits vor zwei Jahren einem breiten Fernsehpublikum zeigen, in
einer ARD-Dokumentation, in der er zusammen mit der Entertainerin
Anke Engelke den »Chor der Unglücklichen« gründete. »Menschen, die
einen Schicksalsschlag erlitten haben, finden in Chören oft
nachhaltige Unterstützung«, so Kreutz. Das Singen im Chor stärke
die sozialen Kontakte und somit auch unsere physische und
psychische Gesundheit. »Es scheint, dass wir durch das Singen
widerstandsfähiger werden. Singen kann unsere Reserven an positiver
Gestimmtheit auffüllen.«
Bleibt die Frage zu klären, wie man Leute zum Singen animiert.
Kreutz setzt dabei am Anfang der musikalischen Entwicklung an.
»Über 70 Prozent der Chorsänger haben ihre ersten
Gesangserfahrungen im Alter von bis zu 18 Jahren gesammelt. Danach
ist man eigentlich für das Chorsingen verloren«, resümiert der
Wissenschaftler. Ausnahme bildet Kreutz selbst, der als
»Spätberufener« zum Chorsingen kam – mit 28.
Geht es nach dem Musikwissenschaftler, dann müsste die Lust am
Singen viel früher entfacht werden. Bereits im Kindergarten. »Die
Erzieherinnen und Erzieher im Kindergarten bekommen in ihrer
Ausbildung oftmals nur eine mangelhafte musikalische, und schon gar
keine stimmliche Ausbildung«, so der Musikwissenschaftler. Das habe
zur Folge, dass in Kindergärten weniger gesungen werde. Ein Trend,
der sich auch in der Grundschule fortsetze und den es zu stoppen
gelte. Bevor wir aufhören zu singen.
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