Rezension zu Unpolitische Wissenschaft?
Psyche, 68. Jahrgang, Heft 2, Februar 2014
Rezension von Bernd Nitzschke
Lesen Sie hier Auszüge aus der Rezension:
»›Die einzige Pflicht, die wir der Geschichte gegenüber haben, ist,
sie neu zu schreiben.‹ Im Hinblick auf das ›Schicksal‹ der
Psychoanalyse in der Zeit des Nationalsozialismus ist diese – von
Oscar Wilde erhobene – Forderung wiederholt erfüllt worden,
allerdings mit einer Einschränkung: Die von Ernest Jones in den
1950er Jahren vorgelegte Basiserzählung wurde bei Bekanntwerden
neuer Fakten später in vielen Fällen nicht grundsätzlich
hinterfragt, sondern in Übereinstimmung mit vereinskonformen
Überzeugungen – lediglich neu justiert.«
»Aufgrund der umfassenden Berücksichtigung der bereits vorliegenden
Arbeiten zur Geschichte der Psychoanalyse unter Hitler und durch
die Einbeziehung bislang unveröffentlichter Dokumente ist es Peglau
gelungen, eine Alternative zu der von Jones initiierten
Basiserzählung zu formulieren. Auf diese Weise ist der Fabelgrund,
auf dem sie ruht, endlich deutlich zu erkennen: Wunscherfüllung im
Dienste von Schuld- und Schamabwehr. Die Verschränkung zwischen dem
Schicksal der Psychoanalyse im NS-Staat und der Ausgrenzungs-,
Verfolgungs- und Emigrantengeschichte Wilhelm Reichs, die Peglau
minutiös rekonstruiert, ist Dreh- und Angelpunkt des Buches, das
einen unverzichtbaren Referenzpunkt für jeden darstellt, der sich
künftig ohne Scheuklappen mit der NS-Geschichte der
Psychoanalytiker beschäftigen will.«
»Im Schlusskapitel seines Buches zieht Peglau die folgende Bilanz:
›Die Integration wesentlicher Aspekte der Psychoanalyse ins Dritte
Reich war nur möglich, nachdem sich die deutsche und internationale
Analytikerorganisation 1933/34 des einzigen Kollegen entledigt
hatte, der schon zuvor eindeutig als Kommunist und Antifaschist in
Erscheinung getreten war [...] und nun auch öffentlich gegen den
NS-Staat auftrat und publizierte [...]: Wilhelm Reich.‹
»Die Bilanz, die Jones im August 1936 beim 14. Internationalen
Psychoanalytischen Kongress in Marienbad (Tschechoslowakei)
vortrug, hörte sich sehr viel freundlicher an. Jones teilte dem
Kongresspublikum damals mit, die Psychoanalyse sei im NS-Staat
›neben anderen Richtungen der Psychotherapie‹ noch immer anerkannt
und habe ›hinsichtlich der wissenschaftlichen Arbeit und der
Lehrtätigkeit‹ auch ihre ›Selbständigkeit‹ bewahrt.«
»›Die Welt weiß, warum in Deutschland psychoanalytische
Publikationen nach 1933 aufhörten und vergleichende Darstellungen
über die Entfaltung der psychoanalytischen Theorie und Technik
unmöglich wurden‹ – schrieb in den 1960er Jahren Helmut Thomä
(1963/64, 5. 44). Inzwischen wissen wir noch etwas mehr. Das ist
den in den 1970er Jahren einsetzenden Bemühungen zu verdanken, die
Quellen unvoreingenommener zu befragten. Die Recherchen Peglaus
haben den Umfang dieses Wissens jetzt noch einmal erheblich
erweitert.«
Die vollständige Besprechung finden Sie im digitalen
Klett-Cotta-Archiv der Psyche:
www.volltext.psyche.de