Rezension zu Volksgemeinschaft, Täterschaft und Antisemitismus
ak - analyse & kritik – Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 562
Rezension von Peter Nowak
Sozialpsychologische NS-Forschung
Warum hat die NS-Volksgemeinschaft bis zum Schluss funktioniert?
Das Buch »Volksgemeinschaft, Täterschaft und Antisemitismus« gibt
in acht Aufsätzen einen auch für Laien verständlichen Überblick
über die sozialpsychologische Forschung. Im Gegensatz zu Götz Alys
These vom NS-Sozialstaat für deutsche VolksgenossInnen betont
Sascha Howind, dass es bei der Volksgemeinschaft nicht um eine
materielle Egalität ging: »Anstelle von Gleichheit wurde
Homogenität erzeugt, die soziale Realität war von Ausgrenzung
gekennzeichnet, vom Fortbestand sozialer Ungleichheit etwa in Bezug
auf die Reallöhne als auch von neuen Ungleichheiten, die sich aus
der rassistischen Politik ergaben.« Isabelle Hannemann schreibt
über den »Zickzackkurs der historischen Frauenforschung und die
Frage, warum man (deutsche Frauen) zunächst als Unschuldige, gar
als Opfer patriarchaler Umstände oder lediglich als Mittäterinnen
betrachtete, obwohl einige bereits im Bergen-Belsen-Prozess 1945
als Täterinnen hingerichtet wurden.« Mehrere Aufsätze setzen sich
mit der These auseinander, die NS-Täter seien ganz normale
Staatsbürger gewesen. Als Beispiel für »die Banalisierung des
nationalsozialistischen Verbrechens im Zeichen des
Normalitätsdogmas« setzt sich Rolf Pohl kritisch mit dem auch bei
Linken beliebten Harald Welzer auseinander. Pohl erinnert Welzers
Weigerung, die NS-Politik an einer »Nachkriegsmoral« zu messen, an
die Verteidigungslinie des ehemaligen baden-württembergischen
Ministerpräsidenten Filbinger (CDU): »Was damals Recht war, kann
heute nicht Unrecht sein.«
www.akweb.de