Rezension zu Befreiungsbewegung für Männer

PAPA-YA. Das Magazin für mehr Fairness im deutschen Familienrecht 11/2010 Nr. 9

Rezension von Monika Ebeling

Gleichstellung nicht ohne Männer
Monika Ebeling vs. Eckhard Kuhla

Monika Ebeling (Dittmer), Gleichstellungsbeauftragte und Redaktionsmitglied der PAPA-YA, hat mit Eckhard Kuhla, Vorsitzender Agens ev. (www.agensev.de), Standpunkte zur Gleichstellungspolitik in unserem Land erörtert.

Während Kuhla sich gegen staatliche Einmischung ausspricht, macht Ebeling deutlich, dass bereits jetzt ein staatlicher Auftrag besteht, der unter dem Dach der Gleichstellungspolitik Männerpolitik gleichberechtigt neben Frauenpolitik stellen muss. Sie schließt das aus Art 3 des Grundgesetzes und dem staatlichen Auftrag zum Gender Mainstreaming. Kuhla möchte eine freie Entwicklung in der Geschlechterfrage, die nicht durch staatliche Interventionen korrigiert oder gegängelt wird.

Einig sind sich beide: Der Feminismus ist lediglich ein Teil des Gesamtthemas, ihm, wie bisher, die Definitionsmacht über Gleichstellungspolitik zu überlassen, ist falsch. Die Anliegen von Männern und jungen müssen einen gleichrangigen Platz in der Geschlechterfrage einnehmen.

Monika Ebeling: Herr Kuhla, ich habe 2009 Ihr Buch »Befreiungsbewegung für Männer« gelesen. Das war nicht ganz einfach für mich. Es war anregend, aber auch aufregend! Sie muten Frauen und Männern mit diesem Buch doch einiges zu. Letzteren halten Sie einen Spiegel vor und fordern zu einer Männerbewegung auf. Sind Sie neidisch auf die Fähigkeit der Frauen, sich selbst zu reflektieren, darauf, dass es Frauen »so gut geht«? Ärgert es Sie, dass Frauen eine Bewegung in Gang gebracht haben und Männer, also das Geschlecht, welchem Sie selbst angehören, entschuldigen Sie den Ausdruck, »nicht aus dem Ei kommen«?

Eckhard Kuhla: Der Hauptansatzpunkt von Paul Herman Gruner und mir war die Erkenntnis, dass die Emanzipation der Frau nur sinnvoll auf den Weg gebracht werden kann, wenn sich die Männer auch »bewegen«, aus dem Ei kommen, wie Sie sagen. Aus dem bisher passiven Verhalten der Männer folgte die zunehmende Definitionsmacht der Frauenlobby in gesellschaftspolitischen Fragen. Ich finde es beruhigend, dass »es Frau so gut geht«, wie Sie sagen! Aber: meinen Sie das wirklich? Ich habe eher den Eindruck, dass Frauen, je mehr sie gleichgestellt sind, desto unglücklicher werden! Das gilt besonders für Frauen im Spagat zwischen Kinder und Karriere. Kaum ein Mensch würde das aushalten, das alltägliche Management von Terminen für Kinder, für ihren Beruf, für sie persönlich, ach- und fast hätte ich es vergessen: für ihren Mann oder ihren Partner...!

ME: Herr Kuhla, glauben Sie denn, Sie könnten die Männer mit einem Buch aus dieser Passivität herausholen. Es sieht ja fast so aus, als hätten wir es hier mit einem Massenphänomen, einer Art Depression des männlichen Geschlechtes zu tun. Mir kommt es so vor, als wenn Männer ganz schön erschöpft sind. Erschöpft von einem Jahrhundert der Ausbeutung der Manneskraft und erschöpft auch durch Auswirkungen von Frauenbewegung und Feminismus. Wo könnte hier die Energie herkommen, die es für eine Männerbewegung braucht?

EK: Gut, kommen wir zurück zu den Männern! In der Tat bewegt ein Buch zunächst wenig. Aber es erregt zumindest Aufmerksamkeit, und es liefert eine Art ideelle Basis für den nächsten Schritt, für einen Zusammenschluss von Menschen, die mit der heutigen Männer- und Frauenpolitik nicht einverstanden sind. Das Ergebnis war Agens e.V. Mit einer solchen »juristischen Person« sind wir zum Beispiel in der großen Politik handlungsfähiger und greifbar, genauso wie für die Presse. Und eins darf man auch nicht vergessen: So ein Verein schweißt zusammen! Aber eine Bewegung braucht noch etwas: einen Leidensdruck! So entstand auch die Frauenbewegung vor fast 40 Jahren. Sie wurde angetrieben von dem Leid der Frauen über die »Fremdbestimmung ihres Bauches«. Und schließlich darf eine »Gallionsfigur« nicht fehlen. Männer bräuchten einen »A. Schwarzer«!

ME: Leidensdruck und Männer, das passt doch irgendwie nicht zueinander. Die Opferrolle wird einem Mann selten geglaubt. Das widerspricht dem feministischen Grundgedanken vom patriarchalen Mann und der strukturellen Schlechterstellung der Frau durch ihn. Und da sind wir wieder bei der Frau. Obwohl die rechtliche Gleichstellung erreicht ist, sehen feministische Frauen immer noch einen Handlungsbedarf. Da gehen allerdings die Meinungen von Frauen auch auseinander. Nicht jede Frau ist eine feministische Frau, und auch wenn der Feminismus so tut, als spräche er für alle Frauen, ist das so nicht richtig. Es ist wohl wie mit der Politik, zwischen Basis und feministischer Politik klafft es deutlich auseinander.

Ihr Eindruck über Frauen ist sehr richtig. Gerade Akademikerinnen mit ausreichend Geld und Bildung bekommen nachweislich immer weniger Kinder, dabei wären Kinder dort doch bestens aufgehoben. Andererseits sind die Frauen, die Kinder haben, mehrfach belastet und gerade Alleinerziehenden droht Armut. Kein Wunder, Kinder kosten, soweit ich mich erinnere, weit über 100 000 Euro bis sie erwachsen sind, das muss erst mal erarbeitet werden!

Was mich schon lange wundert ist, dass gerade Frauen mit Kindern nicht zum offenen Protest für mehr Kinderbetreuung bereit sind. Langsam drängt sich mir der Eindruck auf, mehr Kinderbetreuung könnte für Frauen/Mütter vielleicht gar kein Schwerpunkt sein. Teilzeitarbeit ist vielleicht die beste Form Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen - mit möglichst geringem »schlechten Gewissen«. Ich höre ja auch Frauen, die sagen, sie hätten kein Kind bekommen, um es dann fremd betreuen zu lassen.

Die sogenannten Frauenthemen sind in das öffentliche Bewusstsein eingebrannt, da haben es Männerthemen schwer Fuß zu fassen. Ob ein »A. Schwarzer« und ein Leid(t)thema wirklich ausreichen, wage ich zu bezweifeln. Ich meine es würde helfen, wenn die ganze Gleichstellungspolitik einmal kräftig »durchgegendert« wird. Dann könnte unter dem Dach der Gleichstellungspolitik Frauenpolitik und Männerpolitik ein gleichberechtigtes Zuhause finden. Wäre das nicht eine konsequente Weiterentwicklung der Gleichstellungsarbeit?

EK: Nein, einen solchen Top Down-Ansatz halte ich nicht für sinnvoll. Ich bin gegen jegliche staatliche Bevormundung! Gesellschaftliche Prozesse müssen sich aus sich selbst heraus entwickeln. Das heißt, die Änderungen in dem Mann / Frau Miteinander können nur »von unten« kommen. Zum Beispiel die Trennungsväter. Ich sehe ein größer werdendes Leid bei den Trennungsvätern. Wir bekommen täglich Hunderte von neuen Trennungsvätern! Da liegt für mich derzeit das größte Potential für einen Änderungsprozess. Trennungsväter sind die eigentlichen Leidtragenden neben den Trennungskindern, die übrigens immer wieder vergessen werden! Im Moment sind diese Väter alle noch regional organisiert. Diese Solidarisierung der Betroffenen ist sinnvoll und verstärkt das Gruppengefühl. Es ist der Anfang. Die nächste Stufe der Entwicklung wird kommen, wenn die psychosozialen und volkswirtschaftlichen Folgen offenbar werden. Diese Folgen werden unser Gemeinwesen verändern und sich zu einem neuen politisch-gesellschaftlichen Phänomen entwickeln. So ähnlich wie das der allein erziehenden Mütter. Sie haben die Empathie unserer Gesellschaft. Ihr Anspruch auf staatliche Unterstützung ist sakrosankt.

Nicht so bei den Trennungsvätern: Derzeitig sehen wir nur Einzelfalle, wenn überhaupt. Zu einem politischen Handlungsfeld werden diese Einzelschicksale, wenn sie massenhaft auftreten und einen Namen bekommen, wie »alleinerziehende Mutter«. Ich glaube, kurz vorher beginnt das große Erwachen, transportiert durch die Medien. Es ist die Erkenntnis über die Folgen der Feminismus Ideologie für unsere ganze Gesellschaft.

ME: Nun, das Leiden dieser Väter macht mich auch betroffen. Ich denke dann manchmal, was für eine Art Mensch muss eine solche Mutter sein, die den Vater der gemeinsamen Kinder auf so schreckliche Weise entsorgt. Welcher Charakter verbirgt sich hinter diesem Typus von Frau, die eine hochstrittige Scheidungssituation produziert oder zu weiterer Eskalation beiträgt. Das entspricht nicht gerade »der friedfertigen Frau«. Ob sich unter den Männern wirklich eine Masse für eine Bewegung rekrutieren lässt, wage ich zu bezweifeln. Ohne Frauen läuft das ohnehin nicht. Sie müssen Frauen gewinnen, wenn sie wollen, dass Männer sich bewegen.

Sie sind also gegen die staatliche Einmischung in die Geschlechterfrage? Da stemmen Sie sich ja gegen viele Jahrzehnte Frauenbewegung. Ohne staatliche Hilfe ist doch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau nichts zu erreichen. So denken jedenfalls die meisten Frauen und nehmen die staatlichen Hilfeleistungen z.B. Frauenzentren, Frauenhäuser, Frauenkulturzentren etc. dankbar an. Der aktuelle Ruf nach einer gesetzlich vorgeschriebenen Quote macht dies doch ebenfalls nachdrücklich deutlich.

Im Gegensatz zu Ihnen finde ich, der Staat muss da mitmischen, dazu ist er durch das Grundgesetz und speziell Artikel 3 sogar verpflichtet. Meinen Sie nicht, es wäre eine gute Idee, wenn Gleichstellungspolitik modernisiert würde und die Männerpolitik neben der Frauenpolitik einen gleichberechtigten Platz erhielte? Die Regierung scheint in diese Richtung zu wollen, unlängst ist ein Referat für eigenständige Jungen- und Männerarbeit eingerichtet worden. Die Schweizer Männer fordern diese Art Gleichstellungspolitik ebenfalls und mischen kräftig und selbstbewusst mit. Von allein passiert in unserer Gesellschaft nichts. Wir hätten vielleicht heute noch das Patriarchat, wenn mutige Frauen nicht widersprochen hätten. Schweden ist doch das Musterländle für gelungene Gleichstellungspolitik. Die Erfolge dieses Landes sind unseren Aktivisten doch stets ein Vorbild.

EK: Zunächst einmal: ich hab was gegen internationale Vergleiche, da häufig die kulturellen Unterschiede die Familien- und Geschlechterpolitik beeinflussen. Was den staatlichen Einfluss anbelangt, komm ich noch mal auf die Frauenbewegung zurück:
Diese ist, wie wir wissen, ohne staatlichen Einfluss entstanden und sehr erfolgreich gewesen. Staatliche Einflüsse neigen leicht dazu, ideologische Vorgaben zu machen, die dann auch in der Umsetzung immer wieder angemahnt, ja sogar überwacht werden, Im Frauenministerium ist die »Überwindung des Männlichen« so eine unsägliche, würdelose Leerformel. In allen Schriften des Ministeriums spielt dieses Mantra eine erhebliche Rolle. Äußern Sie eine andere Meinung, landen Sie ganz schnell in der Schublade »politisch inkorrekt«. Und das hat mit Meinungsfreiheit wenig zu tun. Ein staatlich verordneter, gesellschaftlicher Veränderungsprozess neigt dazu, Maßnahmen diktatorisch umzusetzen. Schauen Sie sich heutige Gleichstellungsarbeit an: artet nicht vieles in Überwachung aus? Beispielsweise das Gender Budgeting, die Krönung des Gender Mainstreaming. Ich bin immer mehr der Meinung, dass eine Gleichstellungspolitik für Mann und Frau nur dann sinnvoll sein kann, wenn für die Gleichstellungsstellen ein Ergebnis definiert werden kann, das ihre Arbeit überflüssig macht!

ME: Einerseits lebt die derzeitige Gleichstellungsarbeit deutlich von staatlichen Subventionen, auch wenn sie aus sich heraus entstanden ist. Wer zahlt, hat die Meinungshoheit. Insofern ist das, was heute Gleichstellungsarbeit ausmacht, eine deutlich staatliche Vorgabe und wird top down durchgesetzt. Das sind wir schon allein den EU Richtlinien schuldig. Die Themen durchdringen in Windeseile die Frauennetzwerke und werden effizient vor- und nachbereitet. Auf der letzten Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten lag ein Heft des Frauenrates zum Thema aus und nach kurzer Zeit fand bereits eine Veranstaltung bei mir vor Ort zum Thema statt. Das wirkte auf mich schon »gesteuert«.

Sich selbst überflüssig zu machen, ist ein tolles Ziel, aber wer wird das schon wollen? Das hieße ja, der ganze Gleichstellungsapparat würde auf Auflösung hinarbeiten, also arbeitslos werden. Vielleicht sollten wir Gleichstellungspolitik einmal für ein paar Jahre aussetzen, etwa wie es bei der Wehrpflicht derzeit angedacht wird.

Sie sagen, Sie wollen Ergebnisse sehen? Das ist eine gute Forderung. Auf den meisten Arbeitsplätzen wird auf Qualität und Effektivität geachtet und es gibt klare Vorgaben, was wie zu machen ist. Der Arbeitsplatz »Gleichstellung« sollte davon nicht ausgenommen sein.

Herr Kuhla noch eine Frage zum Abschluss. Wenn Sie drei Gleichstellungswünsche frei hätten, welche wären das?

EK: Das können natürlich nur von meiner Logik her Wünsche für einen Übergang bis zur Auflösung, oder - wie Sie vorschlagen bis zur Aussetzung - sein.

Wunsch eins wäre, die ersatzlose Streichung des §8 des Bundesgleichstellungsgesetzes, das den Männern das aktive und passive Wahlrecht untersagt,
Wunsch zwei die Abschaffung der positiven Diskriminierung, welches grundgesetzwidriges Verhalten in der Frauenförderung zulässt, und
Wunsch drei wäre die Abschaffung des Girl/'s und Boy/'s Day, die das Berufswahlverhalten der Jugendlichen mit gender-ideologischer Vorgaben »Von Oben« beeinflussen sollen.

ME: Herr Kuhla, das ist harter Tobak für manche Frauen. Bei den Männern sehe ich einige den Kopf schütteln, während andere beifällig nicken. Da sind wir auch wieder an Anfang unseres Gespräches. Ich denke, Sie überfordern unsere Gesellschaft mit Ihren drei Wünschen auf keinen Fall, aber Sie fordern heraus und auf, damit de Geschlechterdiskurs neu überdacht und kritisch überprüft werden kann. In diesem Sinne haben Sie in mir eine Mitstreiterin gefunden.

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